Rezension

Mark Twain-Klamauk in Massachusetts

Oben in den Wäldern
von Daniel Mason

Bewertet mit 3 Sternen

Je mehr die Geister Anteil an der Geschichte bekamen, desto mehr flachte meine anfängliche Begeisterung ab! Geistergeschichten sind (fast) immer Klamauk und man kann mich nur schwerlich für eine Geistergeschichte erwärmen.

Der Roman „Oben in den Wäldern“ besteht aus 12 lose zusammenhängenden und aufeinander aufbauenden Kurzgeschichten, von denen keine ohne die andere funktionieren würde. Diese Kurzgeschichten sind freilich spooky und enden meist mit einem Knalleffekt. Ein Hauch Edgar Alan Poe lässt grüßen.
Robert Mason spielt in seinem neuen Roman „Oben in den Wäldern“ mit verschiedenen Versatzstücken der Literatur, die ab und an Artikeln aus der Bildzeitung ähneln, insofern, als die einzelnen Stories oft wie eine Schlagzeile wirken und mit einem Knalleffekt enden. Allerdings sind seine Stories viel, viel besser geschrieben als Artikel in der Bildzeitung. Die Qualität von Masons Sprache entreißt seinen Roman immer wieder, allerdings nur knapp, der Trivi.
Gedichte, Lieder, TrueCrimeArtikel, eine Rede, ein Briefroman, eine Séance, Legenden um einen Schafe reißenden Berglöwen, alles dies kommt in des Autors Mappe, alles wird „verwurschtet“, ein Sammelsurium an Texten, alledings meisterhaft zusammengeheftet. Halbe Menschenkörper hängen in den Bäumen. Mord und Totschlag, Liebe, Sex und Besessenheit. Diese Textmixtur ist für mich wie ein Karussell, das sich dreht, mir wird schwindlig. 

Die Handlung: Ein verstecktes Haus in Massachusetts dient diversen Sonderlingen und Ausbüchsern als Heim. Morde, Comingouts und Geister nicht zu knapp, verschmähte Liebe, Eifersucht, Geheimnisse, sonderbare Hobbies, sind die Zutaten des Romans. Das ist nicht der Stoff, woraus Träume sind, sondern der Stoff, mit dem Trivialliteratur gemacht wird. Wenn es nur nicht so kunstfertig geschrieben und komponiert wäre. „Sprachmächtig“ sei der Autor, verspricht der Klappentext. Das ist keine Lüge.

Der Kommentar: Wenn man von diesem Roman nichts erwartet, wird man bestens unterhalten. Er rangiert auf einer Ebene mit den Erzeugnissen der Autorin Charlotte Link, jedoch nicht auf einer Ebene mit ihren Anfangswerken, die eindringliche Psychogramme enthalten, sogar an die Historie gelehnte Geschichte. „Oben in den Wäldern“ ähnelt vom Niveau her Charlotte Links späteren Kriminalgeschichten, die spannend sind oder seicht oder banal, je nach Betrachtungsweise, auf alle Fälle nicht einmal in die Nähe von Hochliteratur kommen, sondern massentauglich sind. Gegen Unterhaltungsliteratur ist per se nichts allzu Negatives zu sagen, außer, dass sie entweder keine Kunst oder schlechte Kunst ist. Und dass sie meine Zeit verschwendet.

Von den ersten Seiten des Romans „Oben in den Wäldern“ hätte man jedoch mehr als reine Unterhaltung erwarten können, da die Naturbeschreibungen eines Waldes und der Landschaft, welche beide ein abgelegenes Landhaus umgeben, wahrlich gelungen sind. „Gelb kommt vom Berg herabgekrochen und schleicht sich in die Adern der Hainbuchen, Eiche und Ahorn färben sich rot, und im Unterholz werden die Blätter des Schneeballs violett. Laub fällt in den Bach, der den Hang durchschneidet wie ein Riss im Gewebe der Erde.“ Das ist Naturlyrik pur, davon bin ich begeistert. Dazu kommen Witz und Esprit, beides könnte den Romanen von Mark Twain entsprungen sein, jedoch, leider, ohne dessen Hintersinn: keinerlei Gesellschaftskritik ist vorhanden und höchstens ein winziger Hauch echter Historie. Die Historie von „Oben in den Wäldern“ streift Umweltschädigungen. Urkomisch wird tragischer Käfersex erzählt, welcher den Ulmensplitkäfer erzeugt. Wie der Name schon sagt, fielen diesem fiesen Käfer weltweit Populationen der Ulmen zum Opfer; Mason erzählt so komisch, dass man Mitleid mit dem Insekt bekommen könnte. Auch thematisiert Mason den Kastanienrindenkrebs, wodurch in ganz Amerika der Bestand an der Amerikanischen Kastanie vernichtet wurde. Erst 2022 (steht nicht im Buch) erlauben die US-Behörden eine genveränderte Variante anzupflanzen und so die Amerikanische Kastanie zu revitalieren. Möge es gelingen! Umweltschäden, die der Mensch anrichtet, sind also ein weiteres immanentes Thema. Damit hätten wir einen Mehrwert. Ist der Verdacht der Trivi damit erledigt? Nicht ganz, denn letztlich behält der Klamauk die Oberhand, die Geister sind los und toben. Dazu kommt, dass Richard Powers in „The Overstory“ (Die Wurzeln des Lebens) das Kastaniensterben bereits unübertroffen literarisch dokumentiert hat. Da kommt keiner ran. Und last but not least: habe ich wenig übrig für Klamauk.

Fazit: Handwerklich tadellos, hinreißend spooky, jedoch hauptsächlich Klamauk.
Kategorie: Geistergeschichte
Verlag: C.H. Beck, 2024

Kommentare

Emswashed kommentierte am 24. Februar 2024 um 14:24

Ich mag Geister (Die sieben Monde des... haben mich darin bestätigt), aber Käfersexs klingt nun wirklich sehr verlockend! ;-))

Und ich mag Deine Reflexionen mit weiteren Rezis hier!

wandagreen kommentierte am 24. Februar 2024 um 17:28

Das Buch ist wirklich sehr unterhaltend. Kannst aber mit Die sieben Monde des Maali Almeida nicht vergleichen. Bei Oben in den Wäldern sind die Geister so aktiv wie die Lebenden und können dir was antun!

Willst dus haben? Wir könnten was tauschen.

 

Emswashed kommentierte am 25. Februar 2024 um 08:37

Was möchtest Du denn?