Rezension

Merci, mais non merci – danke, aber nein danke.

Madame le Commissaire und der verschwundene Engländer - Pierre Martin

Madame le Commissaire und der verschwundene Engländer
von Pierre Martin

Bewertet mit 2 Sternen

Zunächst ein Hinweis: natürlich spiegelt diese Rezension nur meine eigene Meinung wieder und ist ironisch überspitzt formuliert. Mir ist bewusst, dass andere Leser diesem Buch deutlich mehr abgewinnen können als ich und möchte das auch niemandem absprechen.

Originalität / Einfallsreichtum:

Routinierte Krimikost, gepaart mit penetrantem Urlaubsfeeling – ständig ist das Meer azurblau, alles riecht nach Lavendel und der Autor wirft französische Satzbrocken ein, die prompt ins Deutsche übersetzt werden. Mon dieu, mein Gott.

Spannungsbogen:

Vielleicht würde mehr Spannung aufkommen, wenn a) Madame und ihr Assistent nicht einfach alles könnten und b) der glückliche Zufall nicht sein Übriges tun würde, damit von echten Ermittlungen kaum die Rede sein kann. Gegen Schluss vergisst Madame schnell ihr Handy und fährt in eine gefährliche Situation, ohne jemandem Bescheid zu sagen, aber das hilft dann auch nicht mehr.

Logik / Schlüssigkeit / Glaubhaftigkeit:

Madame erholt sich von schwersten Verletzungen, wird bei Bedarf aber trotzdem zur Kampfmaschine. Ihr Assistent, der wohlgemerkt bisher nur im Archiv gearbeitet hat, spricht Arabisch, hackt Computer, hat ein fotografisches Gedächtnis, inhaliert Ermittlungsakten in kürzester Zeit, führt ohne entsprechende Ausbildung Vernehmungen und richtet nebenher noch das Büro neu ein.

Charaktere:

Die beiden Hauptcharaktere haben trotz ihrer beeindruckenden Fähigkeiten nur wenig echte Persönlichkeit: Madame ist flach und blutleer, ihr Assistent hingegen so überzogen, dass er wie ein Cartooncharakter wirkt.

Schreibstil:

Wie schon erwähnt, fließen wahllos und ständig französische Phrasen ein. Dazu kommt, dass Dialoge oft in indirekter statt in direkter Rede geschildert werden, was einem natürlichen Sprachfluss nicht guttut und zu einer inflationären Häufung von “könne”, “solle”, “habe”, “müsse” etc. führt.

Zitat:
“Natürlich könne er sich das vorstellen. Aber in diesem Fall halte sich der Täter bestimmt nicht mehr in Fragolin auf. Was er aber überhaupt nicht verstehe, sei die Tatsache, dass man (…) an einem Parkplatz gefunden habe. Darauf könne er sich keinen Reim machen.”

Romantik:

Die Liebesgeschichte erschien mir sehr aufgesetzt, von Chemie keine Spur – zwischendurch bekommt Madame noch einen zweiten Verehrer, der dann aber doch keine Rolle spielt und somit keine Würze in die Geschichte bringt.

Sonstiges:

Im Buch wird mehr als einmal ein sehr fragwürdiges Frauenbild von der taffen Heldin überhaupt nicht hinterfragt. So spricht sie zum Beispiel mit einer Bekannten und es entspinnt sich folgender Dialog:

Zitat:
»Jeanne war gerade bei mir und hat sich ausgeweint. Sie behauptet, mein Bruder habe sie geohrfeigt.«
»Pascal? Glaubst du ihr?«
»Möglich wär’s. Pascal ist unheimlich eifersüchtig, und Jeanne flirtet nun mal gern. Da rutscht ihm schon mal die Hand aus.«
»Die zwei sind doch so nett.«
»Natürlich sind sie das. Aber Jeanne ist ein kleines Luder.«

Aha. Die Frau ist also schuld an der häuslichen Gewalt, und Madame le Commissaire widerspricht da auch nicht. Enchanté, Madame.

FAZIT

Leider konnten mich weder die Charaktere, noch der Schreibstil oder die Handlung überzeugen. Auch die Glaubwürdigkeit blieb für mich mehr als einmal auf der Strecke.

Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog:
https://wordpress.mikkaliest.de/2018/09/25/pierre-martin-madame-le-commi...