Rezension

Mit Familie Lamb vom Ende des 2. Weltkriegs bis zum Beginn der Corona-Pandemie

Bournville -

Bournville
von Jonathan Coe

Bewertet mit 3 Sternen

Auf dieses Buch hatte ich mich eigentlich gefreut, da ich bisher noch nichts von dem britischen Autor Jonathan Coe gelesen hatte und der englischen Literatur sehr zugetan bin. Aber wie das Wörtchen 'eigentlich' bereits vermuten lässt, hat die anfängliche Begeisterung nicht lange gehalten.

Gründe dafür gibt es mehrere, einer davon ist der recht oberflächliche Schreibstil des Autors, durch den seine Figuren seltsam distanziert blieben. Ich konnte zu keiner der Personen eine emotionale Beziehung aufbauen und musste immer wieder zum Familienstammbaum am Anfang des Buches zurückblättern, um zu rekonstruieren, um wen es gerade überhaupt geht und in welchem Verhältnis er/sie zu der Familie Lamb steht.

Das Experimentieren mit verschiedenen Stilmitteln machte es ebenfalls nicht besser. Der ganze Roman wirkte auf mich seltsam zusammengestückelt. Nach etwa 100 Seiten hatte der Autor mit einem Male die Idee, seine Leserschaft persönlich anzusprechen, was ich ausgesprochen irritierend fand. Auf Seite 158 schickt ein Cousin xten Grades dann seine Erinnerungen an den Frühsommer 1969 an Peter Lamb , welche ich fast übersprungen hätte, weil ich in der Zwischenzeit vergessen hatte, wer David Foley überhaupt ist. 

In Kapitel 5 springt der Autor dann plötzlich im Jahr 1981 hin und her ... hätte man vielleicht auch eleganter lösen können.

Zu allen Fernsehübertragungen im Buch werden Passagen originalgetreu zitiert.  Das fand ich persönlich eher langweilig, denn wer einen Blick in die Krönungszeremonie von Prinz Charles im Mai diesen Jahres geworfen hat, weiß, dass bei solchen Zeremonien textlich eigentlich nichts Weltbewegendes transportiert wird und man kann echt froh sein, dass man zu diesem Mammutevent nicht als Gast geladen war.

Dann gibt es noch eine Sexszene im Buch, durch deren detaillierte Schilderung eines Blowjobs der Roman für mich schließlich auf Groschenheft-Niveau abrutschte.

Bis auf den "Schokoladenkrieg", von dem ich vorher noch nie gehört hatte, gab es eigentlich auch nichts Neues, was ich aus dem Buch hätte mitnehmen können und so war ich am Ende enttäuscht, aber auch froh, die gut 400 Seiten hinter mich gebracht zu haben.

Ich habe den Roman mit gutem Willen mit 3 Sternen bewertet, obwohl ich ihn eigentlich nicht mochte.