Rezension

Mörder mit vier Beinen?

Der rote Stier
von Rex Stout

Bewertet mit 4 Sternen

Ganz entgegen seiner Gewohnheit hat Nero Wolfe diesmal sein Appartement verlassen und befindet sich mit seinem Assistenten Archie Goodwin auf der Autofahrt nach Cowfield. Sie wollen zu einer Landwirtschafts-Ausstellung, bei der Wolfe seine edlen selbstgezüchteten Orchideen präsentieren möchte, als ein geplatzter Reifen ihre Reise zunächst an einem Baum enden lässt. Bei der Suche nach Hilfe landen sie im nahegelegenen Landhaus von Thomas Pratt, dem Besitzer der ersten amerikanischen Fast-Food-Restaurant-Kette. Dieser hat soeben für viel Geld den berühmtesten Guernsey-Zuchtbullen der USA gekauft, um ihn werbewirksam bei einem Barbecue seinen 100 VIP-Gästen als Steaks zu präsentieren – ein Frevel in den Augen sämtlicher Nachbarn und Züchter. Noch ehe es aber dazu kommt, wird in der Nacht ein junger Mann tot im Gehege des Bullen gefunden – nach Ansicht der örtlichen Polizei getötet durch den Stier. Doch Wolfe ist anderer Meinung, er vermutet Mord und wird vom Vater des Opfers beauftragt, die wahren Umstände des Todes zu klären. Bevor jedoch Wolfe seine Beweise vorlegen kann, ist der Stier überraschend an Milzbrand verendet und wird unverzüglich verbrannt. Als dann am nächsten Tag eine weitere Leiche gefunden wird, sind Wolfes Beweise endgültig dahin und Archie wird von der Polizei in Gewahrsam genommen …

Den etwas älteren Lesern ist die US-Fernsehserie „Nero Wolfe“ aus den 80er Jahren sicher noch ein Begriff - mit einem übergewichtigen bärtigen Ermittler, der seine Wohnung fast nie verlässt, dem es aber mit Hilfe seines Assistenten Archie Goodwin gelingt, auch die vertracktesten Fälle in seinem Sessel sitzend zu lösen: Nero Wolfe, der gemütliche Orchideenzüchter und Liebhaber guten Essens, hier begegnen wir ihm wieder. „Der rote Stier“ ist eine der unzähligen Episoden, die der amerikanische Autor Rex Stout (1886-1975) geschrieben hat. Wie in vielen seiner Krimis verurteilt er auch hier die unprofessionelle Arbeit  amerikanischer Staatsorgane (zu damaliger Zeit), kritisiert die aufkommende Fast-Food-Welle und bespöttelt den Kult, den die damaligen Viehzüchter mit ihren Tieren trieben.

Der Schreibstil dieses Buches ist angenehm leicht und lässt sich zügig lesen. Szenen, Beziehungen und Landschaften sind treffend erfasst und vermitteln einen bildhaften Eindruck. Auch in dieser Episode lässt der Autor wieder Archie Goodwin mit viel Witz und Humor erzählen. Er lästert gelegentlich über Wolfe, nimmt seine Marotten nicht allzu ernst, witzelt über sich selbst, spöttelt über andere und zeigt sich seiner neuen Flamme gegenüber äußerst uncharmant. Dass das Geschehen vor 80 Jahren spielt ist dem Buch anzumerken, da die Ermittler noch ohne die modernen technischen Hilfsmittel auskommen müssen. Dies macht aber meiner Meinung nach ein Großteil des Reizes dieses Krimis aus. Als weitere Pluspunkte empfand ich, dass die Geschichte trotz Dramatik beinahe ohne Blutvergießen auskommt und man bei der spannenden Mördersuche selbst kombinieren und mit raten kann.

Fazit: Eine vergnügliche Detektivgeschichte, die zu lesen allemal lohnt!