Rezension

nach Eingewöhnung in dieses ungewöhnliche Setting ein schönes Leseerlebnis

Memento - Die Überlebenden - Julianna Baggott

Memento - Die Überlebenden
von Julianna Baggott

Zitat:
„Diejenigen, die zu jung waren, um sich zu erinnern, werden zugleich beneidet und bedauert – eine abscheuliche Mischung.“
(S.35)

„Die Leichen werden eingeäschert, denn Platz ist knapp. Wir müssen uns einschränken.“
(S.47)

„Der Himmel über ihm ist endlos. Er ist nicht abgeschlossen.“
(S.118)

Inhalt:
Seit Jahren überleben Pressia und ihr Großvater in den Trümmern, die die Bomben hinterlassen haben. Asche. Überall! Die Bomben haben alles zerstört. Wirklich alles! Nur das Kapitol unter dem mächtigen Kuppeldach existiert noch. Das Kapitol ist die Hoffnung der Überlebenden.

Die wenigen Überlebenden sind schwer gekennzeichnet. Auch Pressia ist wie alle anderen von einer Verschmelzung betroffen. Die Puppe, die sie beim Bombenabwurf im Arm getragen hat, ersetzt nun eine ihrer Hände. 

Die OSR hat das Kommando rund um die Zone um das Kapitol übernommen. Jede oder jeder Jugendliche, der das sechzehnte Lebensjahr erreicht, wird rekrutiert. Pressia steht nun kurz vor ihrem sechzehnten Geburtstag. Der Tag, an dem sie von der OSR geholt wird, rückt näher. Doch ihr gelingt tatsächlich die Flucht. Und dann trifft sie auf den Reinen, Partridge. Ihr Schicksal scheint untrennbar mit seinem verwoben zu sein. Doch Pressia zweifelt und gerät immer tiefer in einen Strudel aus Erinnerungen, Gewalt und Emotionen. Kann sie die Aufgabe bestehen? Findet sie das, was sie in ihrem tiefsten Inneren immer gesucht hat?

Meinung:
Ich habe viele Meinungen zu „Memento“ gelesen. Langsam fand ich es an der Zeit, eine eigene Meinung zu diesem Buch zu finden. Nachdem das Buch nun in meinem Regal stand, kribbelte es mich förmlich, endlich zuzugreifen und die Geschichte selbst zu beurteilen.

Julianna Baggott hat mir auf jeden Fall keine Aufwärmphase gegönnt. Sie warf mich regelrecht mitten ins Geschehen hinein. Nach den ersten Seiten hatte ich schon das Gefühl, vor lauter Asche und Ruß kaum atmen zu können. Und das hatten alles die Bomben hinterlassen. Eine trostlose, lebensfeindliche Welt!

Ich gebe zu, der Einstieg fiel mir wirklich nicht ganz so leicht. Plötzlich war ich konfrontiert mit Ventilatoren, Puppenköpfen und anderen Dingen, die nun Bestandteile menschlicher Körper waren. Und das war nur der Beginn einer schier unendlichen Aufzählung. 

Anfangs fehlten mir die Erklärungen zu diesen Umständen und ich versuchte, diese Dinge einfach zu akzeptieren. Wie froh war ich, dass tatsächlich noch Informationen über die weiteren Details der Katastrophe und deren Auswirkungen gefolgt sind. Bis dahin hatte ich nämlich teilweise wirklich zu kämpfen, um der Geschichte zu folgen.

Pressia ist ein Charakter, den man zwar mag, aber anfangs nicht wirklich einschätzen kann. Natürlich tut sie einem leid, allein aufgrund der Umstände, unter denen sie aufwächst. Pressia hat nur ihren Großvater, ansonsten hat sie alle nahestehenden Personen verloren. 
Sie scheint taff, weiß sich in ihrer Welt durchzusetzen und doch hat man immer ein gewisses Gefühl der Verletzbarkeit. Dann dringt Bradwell mit aller Macht in ihr Leben, Pressia weiß selbst nicht mehr, was wahr oder falsch ist. Kann sie sich auf ihre Instinkte wirklich verlassen? Zumindest wendet sie sich an Bradwell, als die Situation zu eskalieren droht. Nur, hat er ihr Vertrauen verdient oder folgt er eigenen Interessen? Die Lage ist verzweifelt bis hoffnungslos. Hat sie sich in ihren Gefühlen getäuscht? Der richtige Weg erscheint plötzlich von großen Felsbrocken versperrt! Nachdem Pressia diese eine für sie äußerst wichtige Information erhält, wird ihr Drang, das Ziel zu erreichen, nahezu unbeherrschbar. Doch viele Gefahren lauern und ob sie ihr Ziel erreicht, scheint zumindest zweifelhaft…

Bradwell steht Pressia ab einem bestimmten Punkt in der Geschichte offensichtlich zur Seite. Doch was beabsichtigt er wirklich? Dieser undurchschaubare, nicht planbare und einschätzbare Junge. Bis jetzt ist er immer allein zurechtgekommen. Was hat Pressia in ihm bewirkt? So uneigennützig er sich gibt, er muss eigene Gedanken verfolgen. Doch vielleicht sieht er wirklich mehr in Pressia, als er vorgibt?

Partridge gibt nach und nach Puzzleteile seines bisherigen Lebens von sich. Die heile Welt, in der er aufgewachsen ist, existiert offensichtlich nur in seinen Gedanken. Wie konnte er sich so täuschen lassen? Und ist er tatsächlich derjenige, für den ihn so viele im Geheimen halten? Plötzlich ist er selbst von der Entwicklung so überrascht, dass er schier überwältigt scheint. Partridge, ein Junge ohne herausragende Eigenschaften und Kräfte entdeckt sein Ich!

Die Geschichte wird von Julianna Baggott in Gegenwartsform aus verschiedenen Sichten erzählt. Natürlich wurde zur Abrundung auch viel wörtliche Rede genutzt. Den Schreibstil fand ich auf den ersten Seiten ein wenig holprig; als ich mich jedoch eingelesen hatte, war ich dann nicht mehr aufzuhalten.

Nachdem ich die Anfangsschwierigkeiten überwunden hatte, fing ich an, die Geschichte wirklich zu genießen. Im weiteren Fortlauf hätte ich mitunter einen tieferen Feinschliff erwartet, konnte aber dennoch kaum von den Seiten lassen. Meine Neugier war einfach geweckt; ich wollte wissen, welchen Gefahren sich die Charaktere noch zu stellen hatten. Einige Handlungen und Szenarien fand ich zwar etwas zu gewollt oder zu offensichtlich miteinander verstrickt, doch auch dies konnte mich nicht bremsen. 
Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich zumindest die vielen Wiederholungen eines bestimmten Wortes: ich sage hier mal nur, es hat etwas mit dem Übergang von einem ins andere Gewebe bei Zuführung enormer Hitze oder Strahlung zu tun. Etwas unstimmig fand ich auch die Wandlung eines an sich abgrundtief bösen Charakters, der bisher nur an den eigenen Nutzen gedacht hat, von Pressias Gegenwart allerdings ins Gegenteil umgekehrt wird.

Aber wenn man diese Kleinigkeiten ausblenden kann, findet man hier eine dystopische Welt vor, die einem Angst einjagen kann und einem beim Lesen den einen oder anderen Schauer über den Rücken fahren lässt. Kleinere Unstimmigkeiten sollte man hier ausblenden, um ganz einfach diesen gewissen Leserausch genießen zu können.

Das Ende wirkt nach einem pushenden Showdown wieder etwas beruhigt. Lust auf die Folgebände wird dennoch bereitet. Und so freue ich mich, dass ich den zweiten Teil bereits griffbereit im Regal stehen habe und bald zu diesem greifen kann.

Urteil:
Diese unwirtliche, menschenfeindliche, dennoch eine von so viel Leben und unerwarteter Schönheit geprägte Welt bereitete mir trotz kleinerer Irritationen und Unstimmigkeiten ein Lesevergnügen, das man auf jeden Fall mit 4 Büchern belohnen muss.

Für alle Fans auswegloser Situationen, die sich nicht in ihr Schicksal ergeben möchten, immer einen Funken Hoffnung verspüren und überraschenden Wendungen nicht abgeneigt sind.

Die Serie:
1. Memento – Die Überlebenden
2. Memento – Die Feuerblume
3. Memento – Der Neubeginn
(Erscheinungstermin: Juni 2014)