Rezension

Nah an meiner Idealvorstellung

Shine Bright - New England School of Ballet -

Shine Bright - New England School of Ballet
von Anna Savas

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich war bislang kein riesiger Fan der New England School of Ballet-Reihe nach Anna Savas, was mich doch ausgesprochen geärgert hat, denn es ist nicht so, dass ich mich an Stilistik gestört habe, denn die Autorin kann ohne Frage schreiben. Aber mit der Ankündigung der Reihe hatte ich mir wirklich viel Ballettinhalt gewünscht sowie eben auch kritische Blicke hinter die Kulissen. Das haben die beiden ersten Bände nicht geliefert, da war die Ballettschule eigentlich nur eine Rahmung, aber kein Schwerpunkt. Nun kommt zum Glück „Shine Bright“, der dritte Band, um die Ecke und ich kann endlich sagen: ja, das ist so nah dran an dem, was ich mir von Anfang an gewünscht hätte.

Ich wusste vorab nun wirklich nicht, dass es bei „Shine Bright“ endlich Klick machen würde, aber ich war dennoch sehr gespannt auf Lias Geschichte, weil sie eben in den ersten beiden Bänden schon eine Faszination aufgebaut hat, weil sie die unnahbare Eisprinzessin war und ich wollte da unbedingt hinter die Fassade blicken. Das wird nun auch tatsächlich geliefert und ich mochte schon die Grundidee, dass da jemand ist, der Lia bzw. Ophelia völlig losgelöst aus dem Kontext von Familie und Tanzen kennenlernt, und damit wirklich sie sieht, denn so sehen wir sie auch. Sie kann uns ab diesem Zeitpunkt nichts mehr vormachen, weil wir es auch gesehen haben. Ich habe über den ganzen Verlauf der Geschichte hinweg eine enge Verbindung zu ihr aufgebaut und sie tat mir wirklich sehr leid. Man konnte durch die Geschichte von Jase natürlich vieles schon erahnen, aber nun wirklich all diese hässlichen Gedanken ausgesprochen zu lesen, die sich in ihr über Jahre festgesetzt haben, das war schon bedrückend. Gleichzeitig dann eben zu sehen, dass sie wirklich niemanden hat, weil letztlich auch die Freundschaft zu Katie und Susannah auf einem oberflächlichen Niveau verharrt, achja, große Liebe für Lia. Ich mochte hier auch das kleine Gimmick von Savas, die die Kapitel aus ihrer Perspektive mal mit Lia, mal mit Ophelia überschrieben hat. Denn wir haben wirklich zwei Versionen eines Menschen kennengelernt, die natürlich zusammengehören, aber das eine ist eben die Schutzmauer nach außen, weil die andere sich nicht liebenswürdig anfühlt. Eine tolle Idee, die den inneren Zwiespalt sehr gut rübergebracht hat.

Das Rauskitzeln der wahren Lia übernimmt Phoenix. Er ist natürlich die geeignete Figur, um das zu erreichen, aber er ist dennoch nicht nur eine Funktion, sondern er ist eine sehr eigenständige Figur mit eigenen Dämonen. Auch wenn ich mir schon früh denken konnte, was sein(e) Geheimnis(se) sind, so hat mich das nicht gestört, denn seine Gedankengänge und auch die Entwicklung, die er durchgemacht hat, waren nachvollziehbar dargestellt. Vielleicht war es letztlich anteilig doch mehr Lias Geschichte und man hätte bei Phoenix noch ein bisschen mehr rauskitzeln können, beispielsweise auch über seine Mutter, aber insgesamt habe ich nicht ständig daran denken müssen, was mir fehlt. Ich war vielmehr dankbar für das, was ich bekommen habe. Die Chemie zwischen Lia und Phoenix war wirklich toll und ich fand es über den Verlauf der Geschichte hinweg auch gut, dass es nicht im Überfluss darum ging, die beiden in Konfliktsituationen zu stecken. Selbst nach einem größeren Streit setzt sich bei Phoenix schnell fest, warum Lia getan hat, was sie getan hat. Das passiert eben auf der Grundlage, dass die beiden sich von Anfang an wirklich kennenlernen wollten und es sich auch nicht haben durchgehen lassen, es nicht zu tun. Das ist eine so schöne Grundlage für eine Liebesgeschichte und das hat mich durch die ganze Geschichte mit den beiden getragen.

Aber Liebesgeschichten waren bisher nicht die Problematik von Savas in dieser Reihe, es war eben das Tanzen, was mir gefehlt hat. Das war hier besser gelöst, weil diese große Drucksituation für die Tanzenden diesmal mehr in den Blick genommen wurde. Bei Lia wurde es darüber gesteuert, perfekt gegenüber echt zu sein und bei Susannah über das Thema Essstörung, das wurde gut zusammengebracht. Ebenso aber auch das Zwischenmenschliche. Auch wenn Lia und Susannah keine richtig besten Freundinnen waren, so wäre diese Eifersucht und das Konkurrenzdenken auch bei einem besseren Verhältnis unweigerlich aufgetaucht, denn man tanzt an dieser Schule nicht für die Nebenrolle. Aber auch sonst ist Tanzen als Ausdrucksform des Inneren eine schöne Idee. Das war alles sehr gut miteinander verwoben und so war ich durchweg mitgerissen. Zuletzt habe ich noch einen sehr positiven Punkt, denn in den anderen Bänden hatte ich in einigen Aspekten den Eindruck, dass die Autorin manchmal Baustellen aus den Augen verloren hat. Das war hier auch gar nicht der Fall. Denn die Familiengeschichte mit Jase und den Eltern ist aufgebrochen worden. Aber es waren auch in dem Band selbst so Kleinigkeiten wie mit der Kette, den Typus Freundschaft den Lia mit ihren Freundinnen hat und noch mehr. Ich habe am Ende einen richtig runden Eindruck.

Fazit: „Shine Bright“ ist endlich inhaltlich das, was Savas der gesamten „New England School of Ballet“-Reihe hätte zukommen lassen sollen, zumindest in meiner Wahrnehmung. Hier wurden Tanzen und private Entwicklungen gut in eine Balance gebracht. Es gab sehr nahbare Charakterentwicklungen, eine tolle Liebesgeschichte und vor allem einen runden Eindruck, wo es mir am Ende an nichts fehlte. Hoffentlich kann das für den Abschlussband beibehalten werden!