Nicht drin, was draufsteht
Bewertet mit 3 Sternen
Husum, kurz vor Weihnachten 1843. Während die übrigen Bewohner der Stadt in ihren Betten schlummern, hat Peter Söt, Schreiber bei Rechtsanwalt Theodor Storm den Abend wie üblich verbracht, nämlich in Gesellschaft von reichlichen Mengen Branntwein. Daher gibt es auch niemanden, der bezeugen könnte, dass Söt im Hafenbecken zunächst einen goldenen Kelch und anschließend einen Toten gefunden hat und dass er vor allem nichts mit dessen Tod zu schaffen hat. Selbsthilfe ist also angesagt, zumal Söts Situation nach dem Auffinden einer weiteren Leiche noch prekärer wird. Gemeinsam mit Storm und dessen Cousine Constanze versucht er herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist, was es mit dem goldenen (und nun verschwundenen) Kelch auf sich hat und wie eine mysteriöse Sekte, deren Mitglieder sich als Anhänger der Jungfrau Antoinette Bourignon bezeichnen, ins Bild passt…
Ich mag historische Krimis sehr, habe mich aber über diesen hier mehrfach geärgert. Der Grund ist einfach: Es ist nicht drin, was draufsteht. Das erste, das fehlt, ist der „Spuk“. Gut, die Sekte hatte ein paar ungewöhnliche Rituale und die Jungfrau pausenlos Visionen, außerdem war ein Kelch in einem Moment noch da und im nächsten verschwunden. Als „Spuk“ finde ich das aber reichlich dünn.
Das zweite, vielleicht noch gravierendere, ist der „Theodor-Storm-Krimi“. Dieses Buch ist ein Krimi, einverstanden. Und es taucht eine Person namens Theodor Storm auf, die auch den historischen Vorgaben entspricht, also zur richtigen Zeit in Husum lebt und als Anwalt arbeitet. Aber das war es dann leider auch. Der Storm im Buch tritt als Ermittler fast nicht in Erscheinung, erscheint nicht mal sonderlich intelligent und schon gar nicht lässt er in irgendeiner Weise erahnen, dass er nicht nur Jurist, sondern auch ein bedeutender Schriftsteller war. Da ich davon ausging, hier einen Dichter als Ermittler erleben zu können, war ich wirklich enttäuscht und fühlte mich getäuscht. Gleich „Peter-Söt-Krimi“, „Historischer Nordseekrimi“ oder ähnliches zu schreiben wäre ehrlicher gewesen. Dann hätte ich mich beim Lesen auch nicht ärgern müssen, sondern ich hätte mich entspannt um den eigentlichen Krimi kümmern können.
Diesen würde ich zwar nicht als umwerfend, aber als solide bezeichnen. Man darf als Leser aber keine großartigen Leistungen im Bereich der Deduktion erwarten (auch wenn sich einem dieser Gedanke durch die Konstellation „Schreiber berichtet aus seiner Erzählperspektive über die (angeblichen) Ermittlungstätigkeiten seines Chefs/Kollegen/Freundes“ gelegentlich aufdrängt). Die Atmosphäre der Stadt wird sehr schön deutlich und durch den ruhigen Stils des Buchs noch unterstrichen. Durchaus gelungen ist, wie die Geschichte der Antoinette Bourignon in die Handlung eingeflochten wird. Was ihren historischen Hintergrund angeht, scheint der Autor auch ordentlich recherchiert zu haben und ich fand diesen Teil, sowie alles, was es über die Sektenmitglieder, ihre Ansichten und Rituale zu lesen gab – zwar nicht gruselig – aber sehr interessant.
Fazit: Solider Krimi, aber leider ist nicht drin, was draufsteht.