Rezension

Nicht für jede das Beste von allem

Das Beste von allem - Rona Jaffe

Das Beste von allem
von Rona Jaffe

Bewertet mit 4 Sternen

Schauplatz des Romans von Rona Jaffe „Das Beste von allem“ ist die Großstadt New York. Fabian Publications, ein großes Verlagshaus, hat seine Büros auf fünf Etagen in einem modernen Wolkenkratzer in Radio City.  Die frei gewordenen Stellen im Schreibbüro in der 35. Etage werden alle neu besetzt und so nehmen am ersten Arbeitstag des Jahres 1952 Caroline Bender, April Morrison und Gregg Adams ihre Arbeit auf. Caroline, eine College-Absolventin, stammt aus sehr gutem Haus und wollte im Herbst Eddie Harris heiraten. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als seine Ehefrau zu sein. Doch der Traum vom Glück zerplatzt, als Eddie auf einer Europareise Helen Lowe begegnet. Er fühlt sich nicht so sehr von Helen, dafür aber von den Ölquellen ihres Vaters angezogen und trennt sich von Caroline. Jetzt arbeitet sie unter dem strengen Regiment der Lektorin Amanda Farrow. 

April, ein naives, wunderschönes und liebenswertes Landei aus Springs, Colorado, wäre gerne Schauspielerin. „Schauspielerin zu werden war Teil ihrer Wunschvorstellung, eines Traums…“ (S. 35). Ihre Eltern haben ihr zum College-Abschluß 500 Dollar und eine Bahnfahrkarte nach New York geschenkt, doch das Geld zerrinnt ihr zwischen den Fingern und Angebote, als Schauspielerin zu arbeiten, bleiben aus. Die Stelle im Schreibbüro bekam sie über eine Anzeige einer Arbeitsvermittlung in der New York Times. Gregg kommt aus Dallas und übernimmt den Job bei Fabian, um Geld für ihre Ballettstunden und den Schauspielunterricht zu verdienen. Sie ist nach New York gekommen nicht um Erfolg im Beruf, sondern in der Liebe zu haben. „Falls es in der Welt etwas gab, das wichtiger als die Liebe war, …, dann hatte sie zumindest keine Vorstellung davon, was es sein konnte.“ (S. 187) 

Mary Agnes Russo, die in der Bronx lebt und schon länger für den Verlag arbeitet, ist die Klatschbase der Etage und spart schon seit zwei Jahren für ihre Hochzeit mit Bill. Ihr angestrebtes Ziel ist es, bis ans Ende ihres Lebens verheiratet zu sein. Barbara Lamont arbeitet bei der Zeitschrift „American‘s Woman“ und ist alleinerziehende Mutter einer dreijährigen Tochter. Sie wünscht sich die Idylle ihrer Ehe zurück.

Das Leben dieser fünf Frauen, die Freundinnen werden, wird der Leser über die nächsten knapp drei Jahre verfolgen können. Ihre Träume, ihre Wünsche und Sehnsüchte, ihr Leben in der Großstadt, das von Partys, Alkohol und diversen Männerbekanntschaften geprägt ist. Caroline, die ihrem Verlobten nachtrauert und deren Gedanken ständig um ihn kreisen, ist die Ehrgeizigste und Fortschrittlichste im Bunde und auch die am sorgfältigsten charakterisierte Protagonistin. Sie ist getrieben davon, erfolgreich zu sein und als Lektorin zu arbeiten. Gregg, die sich mit Caroline eine gemeinsame Wohnung teilt, ist die tragischste Figur. Sie verliebt sich in den Playboy und Theateragenten David Wilder Savage, ist später regelrecht besessen von ihm und droht daran zu zerbrechen. Nicht für jede von ihnen geht die Geschichte glücklich zu Ende.

Rona Jaffe hat vor über einem halben Jahrhundert mit dem Roman „The Best of Everything“, der in Deutschland damals unter dem Titel „Alle meine Träume“ erschienen ist und jetzt in einer Neuübersetzung als „Das Beste von allem“ vorliegt, einen wunderbaren Roman geschrieben, der den Zeitgeist hervorragend eingefangen hat. Der Roman beschreibt die Arbeitswelt fünf junger Frauen, beispielgebend für die, die jeden Morgen zu Hunderten und Aberhunderten aus dem Schlund des Subway-Tunnels strömen, einige in flauschige Mäntel gehüllt, andere mit alten Riemchenschuhen an den Füßen, unter den Kopftüchern noch Lockenwickler im Haar und den Lunch in geblümten Papiertüten. Zu jener Zeit war der Roman ein Schock für einige und ein Bestseller für viele. Mutig und erstaunlich offen für das recht prüde Amerika, beschäftigte sich die damals 26jährige Autorin mit den Problemen junger Frauen. Sei es nun Sex vor der Ehe, ungewollte Schwangerschaften, Abtreibung, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder Stalking. Dabei ist Stalking ein Begriff, den es so damals noch nicht gab, der in der heutigen Zeit jedoch an Aktualität nichts verloren hat. „Das Beste von allem“ ist in mancher Hinsicht aktueller als gedacht und trotz seiner epischen Breite angenehm zu lesen.