Rezension

(NIcht nur) die Geschichte des Heroins

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen -

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen
von Henrike Engel

Bewertet mit 5 Sternen

Hamburg 1911. Nach dem Niederbrennen ihrer Praxis ist die Ärztin Anne van der Zwaan unterwegs zu ihren zahlreichen Patientinnen. Immer mehr spielt der Heroinmissbrauch eine Rolle, an dessen Folgen Frauen sterben. Doch woher stammt das Heroin - aus der Asservatenkammer der Polizei, den Geschäften der Triaden oder aus den kriminellen Geschäften ihres Vaters, gegen den Anne auch noch vor Gericht aussagen soll. Der ermittelnde Kommissar Berthold Rheydt hat allerdings private Probleme, denn offenbar lebt seine erste Ehefrau - die Selbstmord begangen haben sollte - doch noch, was die Heirat mit Helene Curtius platzen lässt.....

Mit "Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen" legt die Bestsellerautorin und frühere Drehbuchautorin Henrike Engel bereits den vierten Band ihrer großen Reihe um die Hamburger Hafenärztin Anne van der Zwaan vor. Obwohl ich die ersten drei Bände nicht kannte, hatte ich keinerlei Verständnisprobleme; da sich die durchaus komplexen Beziehungen jedoch stetig entwickeln, ist es sicher ein großer Genuss, die Serie am Stück zu lesen.

Der Schreibstil von Henrike Engel ist flüssig, bildgewaltig und höchst unterhaltsam; mühelos flog ich durch die 456 Seiten.

Dass Hamburg die heimliche Liebe der Autorin ist, wird sehr deutlich in den anschaulichen Beschreibungen der Handlungsschauplätze in der Hafenstadt Hamburg, die für so viele Deutsche zu den Lieblingsstädten zählt.

Neben einer packenden Handlung ist ein ganz wichtiges Thema für Engel - dem ich mich unbedingt anschließe - die Frauenrechte. In nahezu allen Sequenzen des Romans spielen diese Frauenrechte - oder eben das Fehler derselben - eine große Rolle. So ist Anne als weibliche Ärztin noch immer nicht anerkannt bei vielen, Helenes Studium hängt am seidenen Faden wenn sie heiratet, ihre Freundin Paulina wird für die Karriere ihres Vaters verheiratet und schließlich vom Ehemann verprügelt, Frauenwahlrecht, Frauenarbeit und Selbstbestimmung sind wiederholt wichtige Themen. So findet sich ein umfangreiches Sittengemälde zur Kaiserzeit. Gerade auch von den Anfängen der Psychoanalyse und Sigmund Freud hätte ich noch viel mehr lesen können, doch das hätte den Rahmen dieses Bandes gesprengt.

Weiterhin kommt in diesem vierten Band, neben allgemeinen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, ein spannendes Kernthema hinzu: Süchte und Abhängige.  Auch hier hat die Autorin gut recherchiert und webt spannende Informationen und die wahre Geschichte harmonisch in ihren Roman ein. Denn während Heroin Kindern noch als Hustenstiller verabreicht wird und als Therapie zur Alkoholentwöhnung eingesetzt wurde, erkennt die Hafenärztin in dem Rauschgift die Todesursache bei ihren Patientinnen und verfolgt die Aufklärung über die hohen Risiken. Viele der im Buch geschilderten Ansichten aus der Kaiserzeit ließen mich wieder einmal nur den Kopf schütteln.

Die Handlung lebt von einer ganzen Reihe von hervorragend beschriebenen Figuren, die in ihrer Unterschiedlichkeit dennoch miteinander verwoben sind; trotz der Komplexität fiel es mir leicht, der Erzählung zu folgen und die Beziehungen nachzuvollziehen. Die mehrdimensionalen Figuren wirkten authentisch und gaben einen guten geschichtlichen Einblick und gerade Anne, Helene und Paulina waren mir sehr sympathisch.

Spannende Unterhaltung mit viel Geschichtswissen - diese Reihe kann ich definitiv empfehlen!