Rezension

Nichts für Thrillerfans, die auf einfachem Niveau unterhalten werden wollen, wegen der vielen verschiedenen Handlungsstränge. Leser die sich aber gerne fordern lassen, werden am Ende mit einer Auflösung belohnt, die man garantiert nicht erwartet hätte.

Der Architekt - Jonas Winner

Der Architekt
von Jonas Winner

Bewertet mit 5 Sternen

Der Titel von Jonas Winners erstem in sich abgeschlossenen Psychothriller “Der Architekt” klingt erst einmal sehr unspektakulär und zahm, ebenso wie das Cover auf den ersten Blick recht bedeutungslos wirkt – doch nach Beenden des Buches wird man beides mit ganz anderen Augen sehen und vor allem den schwarzen Raum zwischen den gestreiften Flächen auf dem Titelbild zu deuten wissen.

Die Geschichte beginnt etwas verwirrend. Ein Anwalt bekommt von einem verstört wirkenden Unbekannten das Manuskript zu einem Buch – “Der Architekt” – und dieses Buch liest man nun selbst. Es handelt vom unmotivierten Drehbuchautor Ben Lindenberger, der aus Langeweile dem Prozess von Architekt Julian Götz beiwohnt, welcher unter Verdacht steht, seine Familie erschlagen zu haben. Hierbei kommt Ben die Idee, ein Buch über diesen Fall zu schreiben und tritt mit Götz persönlich in Kontakt.

Man sollte seine Sinne vor allem am Anfang der Geschichte schon zusammen haben, denn hier ist alles ziemlich verschachtelt. Der Anwalt, die Geschichte des Manuskripts, das wir gewissermaßen mit ihm gemeinsam lesen, dann die Beschreibung der Tatnacht, in der das Kindermädchen der Familie die Leichen findet, der Prozess vor Gericht und die Tatsache, dass Ben anfängt in Götz’ Leben herumzuschnüffeln, um sich ein Bild machen zu können, wobei er auf unangenehme Tatsachen stößt. Außerdem gibt es hin und wieder Kapitel, die von einer Jugendlichen namens Mia handeln, die mit einer Freundin eine sehr dubiose Lokalität aufsucht und Furchtbares erlebt, wobei man das sehr lange Zeit nicht einordnen kann und sich immer wieder fragt, wie das eigentlich zur Story gehören soll – hier sei gesagt: Es spielt eine entscheidende Rolle.

Ich muss zugeben, dass ich im ersten Drittel eher schleppend vorankam. Gerichtliche Verhandlungen interessieren mich nicht wirklich und es scheint von vornherein klar zu sein, wie das Ganze ausgeht. Der Schreibstil des Autors ist zwar eigentlich echt gut, aber die Geschichte war mir an dieser Stelle einfach zu fad. Umso überraschter war ich dann, als plötzlich immer mehr Leben in den Verlauf kam, nicht mehr klar war wer den Mord begangen hat – plötzlich wirkt jeder verdächtig – und klar wird, dass die Familie von Götz’ ermordeter Frau ziemlich tief mit in der ganzen Sache drinhängt. Hinzu kommt noch, dass Julian Götz nahezu ein Genie ist, was Architektur angeht, und Wahnsinn und Genie ja laut einer Weisheit sehr nah zusammenliegen, was hier nicht mal so untreffend ist.

Im letzten Drittel konnte ich das Buch nicht mehr zur Seite lege und der Hergang spielte sich wie ein Film vor meinem inneren Auge ab, weil ich so in der Geschichte gefangen war. Ich lese recht viele Psychothriller und bin deshalb einiges gewohnt, aber als ich “Der Architekt” durch hatte, war mein Nervenkostüm schon sehr löchrig. Ich war erschüttert über den Ausgang, vor allem aus dem Grund, weil wir uns immer vor Augen halten sollten, dass es auch in Deutschland Machenschaften gibt, von denen wir denken “Ach… sowas gibts nur im fernen Ausland – aber nicht hier bei uns.”