Rezension

Nur etwas für Leser, die Lust auf eine abstrakte Lektüre haben

Am Anfang war das Ende - Stefan Casta

Am Anfang war das Ende
von Stefan Casta

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als der Jeep mit quietschenden Reifen anhält und die Staubwolke hinter ihm über die Steppe davonwirbelt, rufe ich dem Ganser zu: "Fang mich auf!" Dann stürze ich mich von der Plattform.
Im selben Augenblick sehe ich, dass er im Jeep sitzen bleibt. Verflixt, denke ich, ich hab's schon immer zu eilig gehabt. Im letzten Moment breite ich die Arme aus und merke zu meiner großen Erleichterung, dass sie tragen. Ich segle einmal um den Jeep und lande ziemlich elegant auf der Motorhaube.

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INHALT:
Erst herrscht eine unendliche Hitze, die alles verbrennt. Dann geht ein Regen nieder, der einer wahren Sintflut gleicht. Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Die vier Jugendlichen Dinah, Judit, Gabriel und David werden vom Wasser mitgerissen und treiben lange Zeit auf einem Floß, bis sie schließlich an ein Ufer gelangen. Doch die Welt, die sie vorfinden, gleicht einer Wüste, alles ist zerstört und tot. Und sie haben keine Ahnung, wie sie überleben sollen...

MEINE MEINUNG:
Stefan Castas "Am Anfang war das Ende" ist im Original bereits 2010 erschienen und wirkt von der Beschreibung her wie ein Endzeitroman, in dem das Klima verrückt spielt und die gesamte Erde zerstört. Tatsächlich äußern die Charaktere diese Gedanken auch einmal - aber alles stellt sich als ganz anders heraus als es scheint. Der Schreibstil ist sehr umgangssprachlich und jugendlich gehalten, was insbesondere anfangs eine kleine Herausforderung ist. Je weiter die Geschichte voran schreitet, desto mehr gewöhnt man sich jedoch daran und nimmt ihn zuletzt gar nicht mehr wirklich wahr. 

Ich-Erzählerin und damit wohl auch Protagonistin ist Judit. Diese zeichnet sich besonders durch ihre Führungsqualitäten aus - während ihre Freundin Dinah anfangs noch den Ton angibt, als alles normal ist, setzt sich Judit nach dem, wie es scheint, Ende der Welt durch. Ihr gelingt es, schnell Verbindungen sowohl zu Menschen als auch zu Tieren aufzubauen, wodurch sie immer wieder Verbündete findet. David wird anfangs als sehr aufbrausend beschrieben, dieser Wesenszug kommt jedoch danach nur noch selten vor - an dieser Stelle wirkte die Figur etwas unfertig. Gabriel ist die gesamte Zeit über der ruhige und vernünftige und somit etwas wie ein Fels in der Brandung, der die Gruppe auch bei Streit zusammenhält; Dinah hingegen setzt sich immer wieder ab, zieht sich in sich zurück und wird einem nie so recht nah. Alle Charaktere, auch später hinzukommende, sind fast ausnahmslos authentisch gestaltet und handeln überwiegend sehr glaubwürdig.

Zu Beginn des Romans - nach dem Prolog jedenfalls, den ich hier nicht vorweg nehmen möchte - wirkt alles ziemlich genau so, wie man sich das vorgestellt hat: Judit führt den Leser in ihre, zugegeben etwas andere, Welt ein, und zeigt ihm ebenso die momentanen Wetterbedingungen auf. Auch der sintflutartige Regen entspricht noch den Erwartungen. Doch sobald die Jugendlichen stranden und sich nach und nach an Land wagen, um den Ort zu erkunden, wird es seltsam. Sehr seltsam sogar. Ein einsames Landhaus, tote und doch nicht so tote Menschen, Müllberge, Ruinen. Immer wieder hören die vier seltsame Geräusche, machen schreckliche Entdeckungen, finden aber auch Verbündete, etwa in dem Schwein Tüchtig. Spannend ist es auf diese Weise durchgehend, während man sich gleichzeitig fragt, worauf genau der Autor denn nun hinaus will.

Eines muss einem vor dem Lesen klar sein: Der Roman verwirrt. Er wirft viele, viele Fragen auf; Fragen, die wichtig sind, die interessant sind, die zum Nachdenken anregen. Aber nicht auf alles wird eine Antwort gefunden. Bei manchem bleiben nur die Spekulationen. Und selbst die Auflösungen ergeben nicht immer Sinn, dafür sind die Erkenntnisse und Enthüllungen zu abstrakt. Wer aber genau so etwas mag, etwas mit einer so abwegige Denkweise und so genialen Ideen anfangen kann, der ist mit diesem Buch gut beraten. Mir jedenfalls hat es gefallen. Und wenn nun noch Teil 2 der Reihe, der 2012 bereits auf Schwedisch erschienen ist, auch auf Deutsch übersetzt wird, dann finden unruhige Leser vielleicht auch auf die letzten Rätsel Antworten. 

FAZIT:
"Am Anfang war das Ende" von Stefan Casta spaltet die Welt der Leser, so viel ist klar. Das gesamte Szenario ist verwirrend und stellenweise konfus, rätselhaft und gruselig. Ebenso aber auch spannend und oftmals schlichtweg genial. Es ist abstrakt und es wird definitiv nicht jedem gefallen. Wer seine Schwierigkeiten mit solchen Konstrukten hat, sollte die Finger davon lassen. Allen anderen empfehle ich einen Blick - der Versuch ist es wert. 4,5 Punkte von mir!