Rezension

Philosoph im Mutterleib …

Nussschale - Ian McEwan

Nussschale
von Ian McEwan

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine klassische Dreiecksgeschichte voller Spannung, erzählt aus der ungewöhnlichen Perspektive eines ungeborenen Kindes.

Die Ehe zwischen John und Trudy scheint gescheitert zu sein – die schwangere  Trudy lebt weiter in Johns Haus, ihn hat sie mit der Begründung ausquartiert, dass sie zum Ende der Schwangerschaft mehr Ruhe benötige. In Wirklichkeit jedoch hat sie ein Verhältnis mit Johns Bruder Claude, einem einfältigen aber sexuell sehr aktiven Bauunternehmer, der bei ihr die Nächte verbringt. Noch Ehemann John ist zwar ein erfolgloser Dichter und Verleger, jedoch sein Haus mitten in London ist ein Vermögen wert. Genau darauf haben es Trudy und ihr Liebhaber Claude abgesehen und entwickeln einen perfiden Plan: John soll umgebracht, das Haus verkauft und das Baby nach der Geburt irgendwo „untergebracht“ werden. Doch die beiden haben die Rechnung ohne Johns noch ungeborenen Sohn gemacht …

Der britische Schriftsteller Ian McEwan wurde 1948 in Aldershot/England geboren. Er studierte Englische Literatur an der Universität Sussex, besuchte Kurse für kreatives Schreiben und machte seinen Master an der University of East Anglia in Norwich. Seine Masterarbeit bestand aus einer Reihe von Kurzgeschichten, die später unter dem Titel „First Love, Last Rites“ veröffentlicht wurden. McEwan schrieb zahlreiche erfolgreiche Romane die auf den Bestsellerlisten landeten und teils verfilmt wurden, für die er mit nahezu allen bedeutenden Preisen für englische Literatur ausgezeichnet wurde. Er hat zwei Söhne aus erster Ehe, ist heute in zweiter Ehe verheiratet und lebt er in London.

Zum Shakespeare-Jahr 2016 hat sich der Autor Ian McEwan den Hamlet als Inspiration für seinen Roman „Nussschale“ gewählt. Er bedient sich dabei einer ungewöhnlichen Erzählperspektive, eines ungeborenen Kindes, das hilflos im Mutterleib eingezwängt zum einzigen Zeugen eines perfiden Plans zwischen seiner Mutter und ihrem Liebhaber wird. Er kann nichts sehen und nicht sprechen, aber akustisch bekommt der zukünftige Erdenbürger alles mit, sei es durch Gespräche oder durch Radiosendungen, die sich die Mutter in schlaflosen Nächten anhört. Er reflektiert dabei die aktuelle Weltlage, denkt scharfsinnig über Umweltprobleme nach, kommentiert die Sexpraktiken des Paares und ist auch in der Lage, die verschiedenen Weine, die seine Mutter häufig und gerne konsumiert, zu unterscheiden. Neben der Tragik des Geschehens hat die Geschichte auch ihre komischen und unterhaltsamen Momente, so dass ich mich gut unterhalten gefühlt habe.     

Fazit: Ein intelligenter Roman auf sprachlich hohem Niveau, mit kritischen Untertönen und voller Metaphern und Lebensweisheiten – bei dem man sich unbedingt auf die Rolle des embryonalen Erzählers einlassen sollte.