Rezension

Plötzlich Dienstmagd

Mitternacht in Charlbury House -

Mitternacht in Charlbury House
von Helen Peters

Bewertet mit 4.5 Sternen

Dies ist keine triviale Kinder-Spukstory aus der Ghule-Geister-Gänsehaut-Sparte, sondern eine abenteuerliche, stimmungsvolle, wunderbar-anschauliche Zeitreise ins beginnende 19. Jahrhundert, die sich noch dazu super lesen lässt. Ein bisschen Gespensteratmo, Glockenschläge um Mitternacht und fieses Regenwetter sind auch dabei, ja, aber eher dezent am Rande. Das Buch hat mich angenehm überrascht.

Darum geht’s: Die 13-jährige Evi ist total genervt. Als wäre es nicht schlimm genug, dass ihre Mutter mit dem neuen Mann ohne Evi in die Flitterwochen ins sonnige Italien düst. Nein, die beiden beschließen auch noch, Evi für die Zeit ihrer Abwesenheit zu irgendeiner unbekannten Patentante ins hinterletzte Kaff der Welt (zumindest von Großbritannien) zu schicken. Dort angekommen – natürlich regnet es! – stellt Evi entsetzt fest, dass ihre Tante in einem alten Herrenhaus, ohne Fernseher, dafür mit Hang zum Chaos und leerem Kühlschrank lebt. Ja super! Evi stellt sich auf maximal öde Tage in Charlbury House ein, doch dann erscheint ihr der Geist eines jungen Mädchens und bittet sie scheinbar um Hilfe….

Evi landet auf magische Weise in der Vergangenheit, wo sie wenige Tage Zeit hat, das Schicksal von Sophia Fane zu ändern, die dem reichen, ekelhaften Mr. Ellerdale versprochen ist, worüber diese kreuzunglücklich ist. Denn in Wahrheit liebt sie – und das darf absolut niemand erfahren – den jungen Gärtner Robbie.
Genau genommen hält man hier eine Geschichtsstunde im Gewand eines Schauerromans in den Händen.

Bevor Evi die Chance bekommt, der armen Sophia zu helfen, muss sie als Dienstmagd scheuern, waschen, schleppen und jede Menge Ohrfeigen einstecken. Anschaulich wird die Diskrepanz im Alltag von Ober- und Unterschicht, Männern und Frauen beschrieben, ohne dabei dröge zu werden. Autorin Helen Peters streut zudem jede Menge historische Alltagsfacts (den Gebrauch von Nachttöpfen, die Kunst des Kaminanzündens, diverse Umgangsetiketten) ein, bleibt dabei aber (größtenteils) innerhalb der Spannungskurve und schreibt so unkompliziert und humorvoll, dass man kaum begonnen, auch schon auf der letzten Seite angekommen ist.

Damit ist „Mitternacht in Charlbury House“ für kleine Leseratten 10 plus das perfekte Buch für einen (un-)gemütlichen Herbstnachmittag. Nicht viel länger habe ich gebraucht, um es zu lesen. Es ist nicht gruselig, aber spannend und lehrreich mit einem Schuss Mystery und Abenteuer. Wirklich schön!