Rezension

Ruhig und berührend

Taumeln -

Taumeln
von Sina Scherzant

Bewertet mit 4 Sternen

Luisas ältere Schwester Hannah ist verschwunden. Das ist jetzt schon zwei Jahre her, aber Luisas Leben steht trotzdem noch auf dem Kopf. Jeden Samstag geht sie mit einer auf mittlerweile acht Teilnehmer dezimierten Gruppe auf Spurensuche im angrenzenden Wald. Kurz nach Hannahs Verschwinden waren es Hunderte die nach ihr suchten. Nun gibt es kaum noch Hoffnung, aber ganz loslassen kann Luisa noch nicht. Und auch die anderen Teilnehmer des kleinen Suchtrupps haben so ihre Gründe, warum sie noch mit Luisa durch den Wald ziehen.

Sina Scherzant erzählt diese Geschichte von Verschwinden und Verlorensein sehr ruhig und bedächtig. Man spürt die individuelle Trauer der Figuren, erfährt hier und da mehr Details aus ihrem Leben und verliert so trotz des gemäßigten Tempos nie die Lust weiterzulesen.

Ich fand die Einblicke in Franks und Inges Leben besonders gelungen. Auch der etwas sperrigen Luisa kommt man nach und nach näher. Wie sehr das Verschwinden der Schwester ihr komplettes Leben über den Haufen geworfen hat ist wirklich gut erzählt. Auch das kaum auszuhaltende Schweigen in ihrem Elternhaus, das Luisa so gerne verlassen wollte und nun nicht kann, trifft einen hart.

Ein wenig schade fand ich, dass man über drei der acht Personen des Suchtrupps so gut wie gar nichts erfährt. Dabei wäre durchaus Potential vorhanden gewesen. Aber vielleicht hätte das auch zu weit geführt. Jedenfalls habe ich mich beim lesen über jeden kleinen Schritt gefreut, den die Gruppe aufeinander zumacht. Da der Anlass der Treffen ja ein ziemlich trauriger ist, fällt es schwer locker und freundschaftlich miteinander umzugehen. Diesen Spagat zu beschreiben, ist Scherzant geglückt.

Taumeln ist ein ruhiger und trauriger Roman über Verlust und verschiedene Arten der Einsamkeit. Sehr realistisch und mit gelungenen Figuren. Mir hat er wirklich gut gefallen.