Rezension

Schneckenmühle

Schneckenmühle - Jochen Schmidt

Schneckenmühle
von Jochen Schmidt

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es ist das letzte Mal im Ferienlager Schneckenmühle, irgendwo in Sachsen, denn Jens ist nun 14, gehört zu den Großen und darf deshalb nächstes Jahr nicht mehr mitfahren. Es ist nicht das einzige "letzte Mal", eine ganze Ära geht zu Ende, denn es ist der Sommer 1989. Aber das ahnen die Kinder und Jugendlichen nicht, als sie sich aus Berlin aufmachen in die Sommerfrische. Man kennt sich vom letzten Jahr, vertreibt die Zeit mit Spielen, Wanderungen, Ausflügen und ausgiebigen Blicken auf das andere Geschlecht. Dabei bewegt sich die Gruppe um Jens in dieser eigenartigen Zone zwischen Kindsein und Erwachsenwerden. Mit markigen Sprüchen will man sein Revier markieren, besonders Jens ist aber in vielem noch kindlich naiv, behütet aufgewachsen, gutherzig. So will er der von den anderen verspotteten Peggy, der einzigen Sächsin in der Schneckenmühle helfen und gerät in ein kleines Roadnovelabenteuer, das aber glimpflich ausgeht. Dabei gelangen die Ereignisse des Sommers 1989 nur sehr zaghaft in die Geschichte hinein. Der Fokus der Jugendlichen liegt ganz woanders. Zwar ist der Fernsehapparat im Gruppenraum auffallend oft auf verbotenes Westfernsehen eingestellt, zwar munkelt man von "Ungarn" und vom "Rübermachen", tatsächlich verschwinden auch zwei Aufsichtspersonen spurlos, aber man ist doch zu sehr vom Alltag und den Freuden und Nöten der eigenen Pubertät in Anspruch genommen, um sich wirklich dafür zu interessieren. Jochen Schmidt gelingt es sehr gut, den schnoddrigen, großmäuligen Ton der Jungen zu treffen. Auch die manchmal leicht kruden und verworrenen Gedankengänge von Jens bringt er sehr authentisch rüber. Der Ton ist humorvoll und leicht, aber nie flach. Viele nette Details haben auch bei Westsozialisation Wiedererkennungswert. So ist "Schneckenmühle" ein rundum gut zu lesender Roman über den Sommer 1989 aus einer mal ganz anderen Perspektive und ein schönes Buch über das Erwachsenwerden.