Rezension

Schuld schwimmt oben

Das Haus in dem Gudelia stirbt -

Das Haus in dem Gudelia stirbt
von Thomas Knüwer

Das beschauliche Dorf Unterlingen wirkt verlassen. Die drohende Flut hat die meisten Anwohner schon längst aus ihren Häusern vertrieben. Doch nicht Gudelia. Sie bleibt. Sie kann das Haus nicht zurücklassen, denn das Haus ist ihr Leben. Der Hüter ihrer dunkelsten Geheimnisse. Nein, Gudelia kann nicht gehen. Selbst wenn das bedeutet, in dem Haus zu sterben.

Thomas Knüwer hat mit „Das Haus in dem Gudelia stirbt“ ein hervorragendes Krimi-Debüt hingelegt. Der Schreibstil arbeitet mit kurzen, beinahe pragmatisch wirkenden Sätzen, wenig Dialog und der nüchtern wirkenden Betrachtungsweise der Ich-Erzählerin. Ich war mir am Anfang nicht sicher, ob mir dieser knappe Erzählduktus zusagt, allerdings hat sich die Frage schnell erübrigt. Es entsteht eine bedrückende Atmosphäre und die Spannung bleibt dicht und beständig, sodass ich im Sog der Geschichte vollkommen gefangen war.
Die Handlung erstreckt sich auf drei Zeitebenen, 1984, als Gudelias Sohn gewaltsam ums Leben kommt, 1998, als sie sich von ihrem Mann trennte und 2024, als sich Unterlingen einer Flutkatastrophe ausgesetzt sieht. Über den drei Handlungssträngen schwebt ein dunkles Geheimnis, das jede Entscheidung Gudelias lenkt und dem Leser nur sehr langsam offenbart wird. Es ist ein gelungener Drahtseilakt zwischen Vorhersehbarem und Unvorhersehbaren, der mich beim Lesen ungemein gefesselt hat.
„Das Haus in dem Gudelia stirbt“ ist in keiner Weise ein herkömmlicher Krimi, dadurch aber nicht weniger lesenswert. Es ist eine mitreißende Auseinandersetzung mit Verlust, Trauer und Schuld, die die Grenzen des Genres herausfordert und dabei bestens Unterhalten kann. Ich empfehle es auf jeden Fall weiter.