Rezension

Traue der Trauer nicht!

Das Haus in dem Gudelia stirbt -

Das Haus in dem Gudelia stirbt
von Thomas Knüwer

Bewertet mit 5 Sternen

Gudelia sieht das Leben an ihr vorbeifließen. In einer tragischen Flut schwimmen nicht nur hunderte von Schweinen an der über-80-Jährigen vorbei, sondern auch Menschenleichen. Alle haben das Dorf verlassen, nur Gudelia bleibt in ihrem geliebten Haus. Schließlich verbirgt sich dort ein wohl gehütetes Geheimnis, das nicht ans Licht kommen sollte...

Thomas Knüwer gelingt mit "Das Haus in dem Gudelia stirbt" ein schwarzhumoriger und kurzweiliger Debutroman, der im Entfernten an einem Krimi erinnert, in Wahrheit aber die jahrelange, festsitzende Trauer der Hauptprotagonistin nachzeichnet. Sie hat vor vierzig Jahren ihren Sohn verloren und ist über dessen Tod nie hinweggekommen. In drei Erzählzeiten, nämlich 1984, 1998 und 2024, erfahren wir mehr über das Leben der alten, eigenwilligen Dame, die auf den ersten Blick bösartig erscheint, eigentlich aber ob der ihr passierten Schicksalsschläge eine gebrochene Frau ist. Sie wirkt hart, berechnend und zielstrebig, in ihr weilt aber eine zarte Seele, die sie mit aller Macht verdrängen möchte. Der Autor legt viele Fährten, um den Lesenden genügend Stoff zum Spekulieren um das Geschehene zu bieten und auch wenn einige im Sande verlaufen oder sich als irrelevant herauskristallisieren, ist es doch eine Freude den Gedankengängen der Protagonistin zu folgen. Etliche Vorkommnisse muten krankhaft an und wer keinen Sinn für morbiden Humor hat, sollte um dieses Buch einen großen Bogen machen. 

Der Autor besticht regelmäßig mit einer Flut an einfallsreichen, auch tiefgründigen Aussagen und kreativen Metaphern, die oft mit Humor gespickt sind. Seine Sätze sind immer wieder abgehakt, bestehen mitunter aus nur zwei Wörtern und wurden mitunter hart formuliert, das verleiht dem Roman eine ganz eigene Sprachatmosphäre. Beispiele dafür sind: "Ich schreie. Aus voller Kehle. Schreie das Wasser an, das sich nicht für mich interessiert." (S. 286) oder "Ullmann sagt viel und nichts. Das CDU-Feuerzeug, dass er mir letzten Sommer geschenkt hat, wird sein wertvollster Beitrag zu meinem Leben sein." (S. 211) oder "Früher, als Kinder, mussten wir draußen spazieren gehen, damit das Christkind die Geschenke unter den Weihnachtsbaum legen konnte. Heute gehe ich raus, damit mein Mann sich volllaufen lassen kann. Geheimnisse ändern sich." (S. 79) Das Ende ist in gewisser Hinsicht offen, was einigen unbefriedigend erscheinen mag, für mich hätte es aber keinen passenderen Abschluss der Erzählung geben können.

Mein Fazit: "Das Haus in dem Gudelia stirbt" ist ein morbides Psychogramm einer alternden Frau, die nie über den Verlust ihres Sohnes hinweggekommen ist. Es überzeugt durch einen eigenwilligen Schreibstil mit Tiefe, Humor, Übertreibungen und wunderschön formulierten Sätzen und teils abstrusen Handlungen. Ein absolutes Lesemuss für alle, die morbid-humorvolle und etwas abwegig erzählte Geschichten lieben.