Rezension

Schwacher Anfang, starkes Ende

Die Sommer - Ronya Othmann

Die Sommer
von Ronya Othmann

Der Roman von Ronya Othmann beschäftigt sich in seinem ersten Teil mit den Erinnerungen von Leyla von den ab dem fünften Lebensjahr in Syrien verbrachten Sommerferien. Im zweiten Teil des Romans erfahren wir, wie der Krieg in Syrien ab den Revolutionsversuchen 2011 bis jetzt Leyla, welche mit ihren Eltern in Deutschland lebt und deren Vater Kurde ist, zunehmend aus der Ferne belastet und sich auf ihre Person auswirkt.

Den ersten Teil des Buches empfand ich im Stil als überaus anstrengend und unterdurchschnittlich. Besonders störend ist dabei der Satzbau der Autorin, welcher sehr simpel in dem bekannten Subjekt-Prädikat-Objekt-Format gehalten ist. Dass dann auch noch alle Verwandten durchgängig mit "der Vater", "die Mutter", "die Großmutter" etc. benannt sind, verkindlicht die Formulierungen der Erinnerungssequenzen. Dies wäre nachvollziehbar, wenn es sich um eine Ich-Erzählerin handeln würde, die dem damaligen Alter entsprechend berichtet. Hier wird jedoch der personale Erzähler genutzt, sodass die Erinnerungen äußerst distanziert wirken, den Leser nicht richtig mitnehmen in die Sommer von Leyla. Auch scheinen die Erinnerungssequenzen in mitunter kurzen Anbsätzen sehr sprunghaft wechselnd. Das Fehlen von Anführungszeichen in der wörtlichen Rede erschwert es mitunter, Erinnerungen von Leyla und Episoden, die der Vater Leyla später erzählt hat, voneinander zu unterscheiden. Hier erscheint mir das Erlebte der Protagonistin und der Autorin sehr nah beieinander zu liegen und deshalb dieses "wirre" Erinnern zu entstehen.

Der zweite Teil ab Seite 200 nimmt dann stark an Qualität, Fahrt und Sog zu. Hier werden Eckpunkte der Revolutionsbewegung in Syrien mit dem Alltag der jungen Erwachsenen Leyla gekonnt miteinander verwoben und die zunehmende Belastung der Protagonistin wird spürbar. Es wird deutlich, dass die vielen Erinnerungsschnipsel des ersten Teils notwendig waren, um die tiefe Verbundenheit mit der Heimat des Vaters im "inoffiziellen" Kurdistan darzulegen. Hier wird das Wissen über die Aufstände und die Verfolgung der ezidischen Bevölkerung durch die Beschreibung von eindrücklichen Pressemeldungen und Bildern aufgefrischt und durch die Protagonistin mit einer emotionalen Dimension versehen. Dies schafft die Autorin durchaus eindrücklich, was für mich den Roman nicht nur rettet, sondern auch durchaus lesenswert und insgesamt wertvoll macht.