Rezension

Zu gehen ist in erster Linie eine Abfolge von Schritten

Die Sommer - Ronya Othmann

Die Sommer
von Ronya Othmann

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Eine Geschichte, dachte sie, erzählt man immer vom Ende her. Auch wenn man mit dem Anfang beginnt.“ [10]

„Die Sommer“ von Ronya Othmann handelt von Leyla, die Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden. Es ist ein Blick auf eine zerrissene Welt.

„Du darfst diese Geschichte nicht vergessen … das ist deine Geschichte, Leyla. Diese Geschichte, in der sie kein Land hatten, keinen Platz, und wegen der sie in Deutschland waren.“ [137]

Das Buch gliedert sich ein zwei Teile. Der erste Teil erzählt hauptsächlich Anekdoten über die Kindheit des Vaters und Leylas Erinnerungen an die Großeltern. Teil zwei geht auf den Krieg (2011) in Syrien ein und schildert einiges aus Leylas Leben in Deutschland.

Othmann schreibt unaufgeregt. Aber dafür sehr pointiert. Politische, gesellschaftliche Ereignisse fließen in die Geschichte ein, fesseln die Leser *innen, öffnen die Augen, machen betroffen. Es ist ein Blick auf eine Welt, anders, intensiv. Die Autorin zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass sich gewisse politische Verhältnisse und generelle Ereignisse, wie Diktatur, nicht an vordefinierten westlichen Meinungen messen lassen. Dies wird durch Leylas Verhalten in der Schule, als die Frage nach diktatorischen Ländern gestellt wird, sehr gut dargestellt. Durch die vorangegangenen Erzählungen und Informationen kann man sich dementsprechend gut in die emotionale Lage der Protagonistin versetzen. Man fühlt mit ihr mit. Versteht warum sie so handelt.

Die Gänze der Unterdrückung der Kurden wird an vielen Faktoren festgemacht. Einiges davon war mir neu, dass zum Beispiel die türkische Regierung Buchstaben verbot, die im Türkischen nicht vorkommen, wie beispielsweise das q, x oder w.

„Mein Asylantrag wurde bewilligt. Zeugen bestätigten den deutschen Behörden, dass ich als staatenloser Kurde in Syrien politisch verfolgt sei.“ [117]

Wer sich für fremde Länder, geschichtliches und politisches Zeitgeschehen interessiert, der findet in „Die Sommer“ ein eindrucksvolles Werk. Es beinhaltet viele Informationen, Emotionen und zeigt Ängste und Hoffnung.

 Die Überschrift ist ein Zitat aus dem Roman [Seite 285].