Rezension

Skizze eines brisanten Themas

Die Tochter -

Die Tochter
von Kim Hye-jin

Bewertet mit 3 Sternen

Nüchtern erzählter Mutter-Tochter-Konflikt, der teils zu sehr an der Oberfläche bleibt.

Die Mutter: ungefähr 60 Jahre, verwitwet, reibt sich an der Arbeit im Pflegeheim auf, hat selbst Angst vor der sozialen und finanziellen Situation im Alter, hängt an einem traditionellen Familienbild, vorurteilsbehaftet & verunsichert.

Die Tochter: Mitte 30, unverheiratet, ohne feste Anstellung, lesbisch und in einer Beziehung mit einer Frau lebend, engagiert sich für Homosexuelle an der Uni, impulsiv & rebellisch.

Das Mädchen: im Alter der Tochter, mit ihr in einer langjährigen Beziehung, gutmütig, verständnisvoll & fürsorglich.

Als die Tochter und ihre Freundin vorübergehend bei der Mutter einziehen müssen gerät der Konflikt, der schon lange im Verborgenen schwelte, in die nächste Eskalationsstufe. Auf knapp 170 Seiten schildert Kim Hye-Jin aus der Perspektive der Mutter, wie diese die Homosexualität ihrer Tochter nicht länger leugnen kann und sich mit ihrer Abneigung gegenüber deren lesbischen Beziehung sowie ihren eigenen damit verbundenen Ängsten auseinandersetzen muss. Eingebettet in die südkoreanische Kultur, in der Homosexualität immer noch ein Tabu ist, versucht die Perspektivübernahme der Mutter auch deren Sorgen und Ängste zu betrachten. Aufgrund der homophoben Einstellung der Mutter ein schmaler Grad, es herrscht jedoch immer genug Distanz, sodass die Leserin hier nicht Gefahr läuft, allzu viel Empathie und Sympahtie einzubringen.

Zur unterkühlten Atmosphäre trägt sicher auch der Schreibstil bei, der leider oft nicht nur nüchtern, sondern vielmehr recht hölzern wirkt. Die drei Frauen bleiben in ihrer Charakterdarstellung schablonenhaft, insbesondere die Freundin ist in ihrer Rolle der perfekten Schwiegertochter schon hart an der Schmerzgrenze. Dass die Charakterentwicklung auf 170 Seiten begrenzt ist, bedeutet hier, dass der ein oder andere Knall herangezogen werden muss, um die Geschichte voranzutreiben. Ein an sich spannender Konflikt, für den ich mir allerdings mehr feinfühlige Beobachtungen und weniger plaktives Hau-Ruck-Verfahren gewünscht hätte.