Rezension

Kulturschock

Die Tochter -

Die Tochter
von Kim Hye-jin

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch hat auf jeden Fall tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Der asiatische Raum allgemein, aber auch (Süd-)Korea im Besonderen war in meinem Lexikon der Allgemeinbildung bisher ein blinder Fleck. Man kennt so einige schwammige Allgemeinplätze und -phrasen, das Bild das sie zeichnen, ist aber sehr trübe und nur schwer zu erkennen. Dank "Die Tochter" habe ich nun aber zumindest einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen und Wertevorstellungen Südkoreas erhalten und es hat sich wie ein ziemlicher Kulturschock angefühlt.

Das Buch erzählt von einem namenlosen Mutter-Tochter-Gespann. Die Ältere besitzt ein Haus, muss aber auch in relativ hohem Alter noch für ihren Lebensunterhalt als Pflegerin in einem Seniorenheim arbeiten. Ihre Tochter arbeitet an der Universität, steckt aber aufgrund gewisser Umstände in finanziellen Schwierigkeiten und zieht nun mit ihrer Freundin wieder bei ihrer Mutter ein.

Die Erzählung, aus Sicht der Mutter mit ihren alten Wertevorstellungen geschildert, betrachtet zum einen die Arbeitssituation und den Umgang mit älteren, pflegebedürftigen Menschen, zum anderen die eigene Einstellung und mangelnde Akzeptanz zur/ der Homosexualität ihrer eigenen Tochter. Die Umstände im Pflegeheim sind erheblich auf Profit bzw Sparsamkeit ausgelegt, zu Lasten der Angestellten und vor allem der Bewohner. Die Alten werden ohne Anstand und Respekt behandelt, das Altern wird als etwas wenig erstrebenswertes dargestellt (zumindest solange man keine Familie hat, die sich um einen kümmern kann oder will).

Im krassen Kontrast dazu steht die Homosexualität der Tochter, die in Korea offenbar immer noch nicht akzeptiert wird und sogar als Kündigungsgrund angewendet werden kann.

Die Autorin hat ein einfühlsames Seelen- und Gedankenbild über Generationenkonflikte und Ansprüche im Wandel der Zeit und Gesellschaft gezeichnet. Es ist mit Sicherheit nicht leicht zu lesen, trifft einen mitunter sehr hart, liefert aber genauso auch interessante und wichtige Einblicke in eine so fremde und im Grunde verschiedene Kultur.

Ich habe es sehr gerne gelesen, werde es auch immer wieder in die Hand nehmen und habe viel Denkstoff daraus mitgenommen.