Rezension

Sprachlich sehr gut, doch bleibt die Spannung leider immer wieder auf der Strecke.

Geblendet - Andreas Pflüger

Geblendet
von Andreas Pflüger

Bewertet mit 3.5 Sternen

Wie könnte ich über sie richten?

Mit „Geblendet“ beendet Andreas Pflüger seine Trilogie um die erblindete Ermittlerin Jenny Aaron. Dieser 509-seitige Thriller ist im August 2019 bei Suhrkamp erschienen.

Schon der Beginn des Thrillers ist bedrückend: Ein Vater stiftet seine zwölfjährige Tochter, Malin, zu ihrem ersten Mord an und macht sie dadurch zu einer Killerin.

Jenny, vor fünf Jahren erblindet, begibt sich in Therapie, um ihr Augenlicht wiederzuerlangen. Doch dann wird sie in einen neuen Fall involviert und steht vor der Entscheidung: für die eigene „Abteilung“ kämpfen oder für das eigene „Seelenheil“? Während der Ermittlungen kommt sie dabei zu ganz neuen Erkenntnissen.

Dieser Band beendet eine Trilogie und ist dennoch der erste aus dieser Reihe, den ich gelesen habe. Dieses stellte mich zu Beginn vor ziemlich große Herausforderungen, da es eine Zeitlang brauchte, die einzelnen Charaktere zu sortieren. Zwar gibt Pflüger hier Hilfen, aber die Bezüge zu alten Fällen sind doch so groß, dass das Lesen einiges an Konzentration erforderte und am Ende bestimmt noch einige Lücken blieben. Daher würde ich empfehlen, zuerst die vorherigen Bände zu lesen.

Der Thriller beginnt mit einer beklemmenden Szene in Notre Dame sehr dramatisch und schreit förmlich danach, weitergelesen zu werden. Nach einem Sprung in die Gegenwart und zu Jenny Aaron lässt diese Spannung allerdings erst einmal nach. Auch dauert es etwas, bis man den Bezug zum Beginn herstellen kann, dann allerdings ergibt sich ein roter Faden, der für eine in sich logische Aufklärung sorgt.

Das Buch bietet tiefe Einblicke in die Innenwelt der Protagonist/innen, vor allem in die Jennys und Malins. Was auf der einen Seite interessant zu lesen ist, sorgt auf der anderen Seite allerdings auch für Langatmigkeit, was wahrscheinlich vor allem dann zum Tragen kommt, wenn man die Vorgängerbände eben nicht kennt. Andererseits wird diese Langatmigkeit immer wieder unterbrochen von spannenden Szenen, die es dann auch wirklich in sich haben. Insbesondere das immer wieder auftretende Spiel mit erzählter Zeit und Erzählzeit fasziniert und sorgt für immense Dramatik. Auch das Finale in Barcelona zehrt ungemein an den Nerven.

Der Autor hat für seinen Roman sehr gute Recherche betrieben, was man vor allem den Einsichten in die Welt der Blinden als auch denen in die fernöstliche Kampfkunst, gespickt mit Philosophie, entnehmen kann. Leider erscheint mir Jenny Aaron an einigen Stellen etwas zu übermenschlich: Zwar sagt man, bei Blinden seien andere Sinnesorgane besser ausgebildet als bei Sehenden, allerdings scheint dieses bei Jenny übertrieben, betrachtet man ihren Gehör- oder Geruchssinn. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Bei Andreas Pflüger überwiegen sehr kurze, prägnante Sätze, die jedoch deshalb nicht wenig anspruchsvoll sind. Auch immer wiederkehrende Wiederholungen und die Wahl des Präsens als Erzählzeit mögen anfangs gewöhnungsbedürftig erscheinen, haben mir aber sehr gut gefallen.

Die Aufmachung des Buches ist eine Augenweide: Hardcover mit schwarzem Einband und schwarzem Buchschnitt sowie der Schutzumschlag in einem leuchtenden Gelb mit schwarzer, „verwischter“ Schrift passen vorzüglich zum Inhalt. Als kleine Zugabe steht der Buchtitel auch in Brailleschrift auf dem Umschlag. Mir gefällt dieses außerordentlich gut.

Anfangs war ich von diesem Thriller vor allem angesichts der Langatmigkeit etwas enttäuscht, je weiter ich beim Lesen voranschritt, desto besser gefiel er mir indes, was vor allem auf die gute Recherche und den Erzählstil zurückzuführen ist. Insgesamt gebe ich dem Buch dreieinhalb von fünf Lesesternen.