Rezension

Spurensuche

Die Unruhigen - Linn Ullmann

Die Unruhigen
von Linn Ullmann

Bewertet mit 4 Sternen

Die bekannte schwedische Autorin Linn Ullmann ist die Tochter berühmter Eltern: die Mutter ist die norwegische Schauspielerin Liv Ullmann, ihr Vater war der schwedische Regisseur Ingmar Bergman. Bergman hatte neun Kinder von sechs verschiedenen Frauen. Mit Liv Ullmann war er nicht verheiratet. Das Paar trennte sich drei Jahre nach Linns Geburt. Linn wuchs bei der Mutter auf, verbrachte aber die Sommer im Haus ihres Vaters auf der Insel  Farö. Die Autorin nennt die drei Hauptpersonen  „der Vater“,  „die Mutter“,  „das Mädchen“,  will die Figuren absichtlich fiktionalisieren, obwohl das Buch schon stark autobiografisch geprägt ist. Es enthält viel Wahres, aber auch Erfundenes.  “Die Unruhigen“  erzählt nicht chronologisch von schwierigen Familienbeziehungen, enthält Erinnerungen, Zitate und vor allem die Transkription von sechs Tonbandaufnahmen, in denen die erwachsene Linn ihren  Vater interviewt. Ursprünglich wollte Bergman ein Buch über das Altern schreiben. Als das nicht mehr möglich war, entwarfen Vater und Tochter das Projekt mit den aufgezeichneten Interviews. Sie ließen sich so viel Zeit mit der Planung, dass es auch dafür fast zu spät war. Als sie wenige Monate vor Bergmans Tod mit den Interviews  begannen, verlor der Vater sehr schnell seine Erinnerungen und seine Sprache und konnte sich nicht mehr zusammenhängend äußern. Herausgekommen ist dennoch ein berührendes Dokument einer liebevollen Vater-Tochter-Beziehung und das Porträt eines großen Regisseurs, dem Pünktlichkeit, die Befolgung fester Regeln und stets gleichbleibende geordnete Abläufe überaus wichtig waren. Die ehrgeizige alleinerziehende Mutter kommt weniger gut weg, weil sie nie ihre internationale Karriere aus den Augen verlor. Linn wurde entweder von einer Reihe von Kindermädchen betreut oder zog mit der Mutter um die ganze Welt, was ihr siebzehn  Schulwechsel einbrachte. Dennoch hat sie auch die Mutter innig geliebt. 
Ullmanns Roman liest sich nicht mühelos, weil es diese unendlich vielen Zeitsprünge und die enorme Themen- und Personenvielfalt gibt und keine stringente Handlung. Dennoch hat mir das Buch gut gefallen. Es ist ein gelungener Roman mehr über Erinnern und Vergessen und den Versuch, Vergangenes zu verstehen und festzuhalten. Sehr empfehlenswert.