Rezension

Stimmungsvoll

Fräulein Anna, Gerichtsmedizin (Die Gerichtsärztin 1) -

Fräulein Anna, Gerichtsmedizin (Die Gerichtsärztin 1)
von Petra Aicher

Bewertet mit 4 Sternen

Mehr historischer Roman, als kriminalistische Ermittlungsarbeit. Sympathische Protagonisten, die Charme und Energie versprühen. Kurzweilig.

Im Jahr 1912 kommt die junge Anna Zech in München in den Genuss einer Ausbildung als Assistentin der Gerichtsmedizin. Prompt sieht sie sich mit einer ertrunkenen Frau konfrontiert, die einen bekannten Namen in der Theaterwelt inne hatte. Als sich der Reporter Fritz Nachtwey für den Fall interessiert, freundet sich Anna mit ihm an und entdeckt, dass dessen Name nur Fassade ist. Im Grunde kommt er aus höheren Kreisen und deckt investigativ Missstände der Gesellschaft auf.

Als ich den Klappentext las, war ich sofort Feuer und Flamme für diese Geschichte, denn der hier angebotene Mix aus historischer Erzählung, Krimi und einer Prise Liebesroman hörte sich spannend an! Doch ehrlich gesagt hatte ich mich schwerpunktmäßig auf einen Kriminalfall eingestellt, der dann letztlich doch nicht so sehr ins Gewicht fiel wie erwartet.

Laut Klappentext decken Anna und Fritz die dunklen Seiten der Münchner Gesellschaft auf, was ich so jedoch nicht wahrgenommen habe. Ich habe mir größere Skandale, bzw. Verbrechen vorgestellt, die von den beiden in abenteuerlicher Art und Weise verfolgt werden. Doch Anna sah ich überhaupt nicht in der Rolle einer Ermittlerin, lediglich Fritz verfolgte einige Informationen und auch das hielt sich gefühlt in Grenzen. Ich fand diesen Aspekt nicht wirklich spannend, und für mich lief der Fall der toten Schauspielerin eher als Nebensache mit, denn im Kern ging es doch mehr um die Erlebnisse der Protagonisten im Allgemeinen und die Entwicklung ihrer Beziehung zueinander. Dieser Aspekt hat mir allerdings sehr gut gefallen. Anna und der charmante Fritz trafen aus verschiedenen Welten aufeinander, stets in einer warmherzigen Atmosphäre und immer etwas gespannt auf die Persönlichkeit des Gegenübers. Vor allem Anna mochte ich gerne, sie war mir in ihrer bodenständigen Zurückhaltung und ihren Moralvorstellungen absolut sympathisch, wie Fritz es mit seiner beschwingten Energie und charmanten Art war.

Interessant fand ich vor allem die vielen Informationen über Kultur und Gepflogenheiten der damaligen Jahre sowie die etwas irritierende Einstellung der adeligen Männer hinsichtlich der Frauen und der Ehe. Dieses umfassende Gesamtpaket wurde von Petra Aicher hervorragend in Szene gesetzt, daher fühlte ich mich umgehend wohl in diesem Roman, der sich zudem sprachlich wunderbar an den bayerischen Dialekt anlehnte.

„Fräulein Anna, Gerichtsmedizin“ sehe ich letztlich mehr als Roman, denn mir war hier zu wenig kriminalistischer Spürsinn am Start. Trotzdem mochte ich die sympathischen Protagonisten und die Geschichte an sich, die unweigerlich mein historisches Kopfkino ansprach und mir mit einer gewissen Leichtigkeit eine Ahnung der damaligen Zeit vermittelte. Ein schönes Buch, das ich gerne weiterempfehle.