Rezension

Unterhaltsame Ausflüge ins alte Wien

Kaiser, Kraut und Kiberer - Gerhard Loibelsberger

Kaiser, Kraut und Kiberer
von Gerhard Loibelsberger

Bewertet mit 4 Sternen

Loibelsbergers Erzählungen um den Wiener Inspektor Nechyba sind zeitlich angesiedelt zwischen 1902 und 1918. Diese Zeit ist geprägt von Monarchie und Obrigkeitsdenken, von den kleinen Freuden der einfachen Menschen, aber auch von Armut und vom Verzicht der Nachkriegszeit. Diese trieb viele zu kriminellen Handlungen, auch wenn es sich dabei nur um die Beschaffung von Kaffee und Milch handelte.

Die Erzählweise ist sehr unterhaltsam und gespickt mit Wiener Begriffen, die in einem Glossar am Ende des Buches erklärt werden. Dadurch bekommen die Kurzgeschichten einen regionalen Anstrich, man reist mit Nechyba durch seine Welt und lernt ihn und seine Frau näher kennen.  

Die Kriminalfälle sind eher einfacher Art, sie lösen sich häufig durch wenig Aufwand und fast von allein durch Nechybas Anwesenheit. Doch das macht den besonderen Reiz aus. Dieser dem Essen und Trinken so zusprechende Mann kann auch wütend werden, wenn er seine Essenszeiten nicht einhalten kann und Hunger hat. So ist sein "Gabelfrühstück" mit einem Bier am Morgen während der Dienstzeit Pflicht. Bekommt er es wegen Ausübung seiner Dienstpflicht nicht, so hat er Kriminellen gegenüber doch recht rüde Verhörmethoden, bzw. lässt seine Mitarbeiter die Kriminellen "bearbeiten".

Ich habe mich über diesen schrulligen Inspektor sehr amüsiert. Seine Reise nach Freiburg erscheint uns heute wie ein kleiner Ausflug, zu Zeiten der Kutschen und Eisenbahnen war das eine weite Auslandsreise. Auch seine Hochzeitsreise ins ferne Venedig war so ein Ereignis. Hier wurde ich mitgenommen ins italienische Essvergnügen und die Reisefreude von Nechyba und seiner Frau waren richtig toll zu lesen.

 
Diese Kurzgeschichten sind nicht gerade etwas für Spannungsuchende! Sie zeigen eher den Wiener Schmäh um die Jahrhundertwende, als die Zeit in Wiener Kaffeehäusern noch langsam lief. Man taucht ein in diese Welt und betrachtet die Menschen mit den Augen von damals. Eine gelungene Zeitreise!