Rezension

Vom Opfer zum Täter

Ostfriesenblut - Klaus-Peter Wolf

Ostfriesenblut
von Klaus-Peter Wolf

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Wie würde die Welt aussehen, wenn alle ihren Eltern das Gleiche antäten, was ihre Eltern ihnen angetan haben, … Wer weiß, wie viele Menschen manchmal mit solchen Gedanken spielten. Es lag in der menschlichen Natur, zurückgeben zu wollen, was man erhalten hatte. Im Guten wie im Bösen. Das eine nannte man Dankbarkeit, das andere Rache.“

Für die Kollegen scheint der Fall klar zu sein: Die alte Dame, die aufgrund vorsätzlicher oder fahrlässiger Vernachlässigung verhungert und verdurstet ist, wurde ein Opfer ihrer Tochter. Diese wurde nämlich in ihrer Kindheit von der Mutter, einer Anhängerin der sogenannten „schwarzen Pädagogik“, so sehr misshandelt, dass sie noch heute unter Ängsten leidet und ständiger psychologischer Hilfe bedarf. Aber Ann Kathrin Klaasen kommen schon schnell Zweifel an dieser Theorie. Sie beginnt nachzuforschen – was der Täter, der die Leiche ausgerechnet vor ihrem Haus abgelegt hat, wohl auch beabsichtigt hatte…

 

Schwarze Pädagogik – ein trauriges Thema, bei dem man sich leicht vorstellen kann, wie aus Opfern später Täter werden können. Was mich betrifft, schwanke ich dann ständig zwischen Verständnis, Mitgefühl und Entsetzen. Und was ist mit einem früheren Täter, der später zum Opfer wird? Mitgefühl oder ein „geschieht-ihm-recht“-Gefühl? Schwierig! Entsprechend war meine Gefühlslage beim Lesen dieses Buchs.

 

Die Faktenlage ist bei diesem Buch relativ schnell eindeutig und auch den Namen des Täters erfährt man nicht erst auf der letzten Seite. Was die Spannung ausmacht, ist zum einen die emotionale Achterbahnfahrt, auf der man sich befindet, dieses ständige Zweifeln, wer hier nun gut ist und wer böse… Und dann die spannende Frage, ob es gelingen wird, den Täter von der Vollendung seines Werks abzuhalten! Denn eins ist auch schnell klar: Die alte tote Dame vom Anfang wird nicht das einzige Täter-Opfer bleiben.

 

Als emotionale Achterbahnfahrt kann man auch (wie scheinbar immer) die Gefühlslage von Ann Kathrin Klaasen bezeichnen. Wie auch schon im ersten Band leidet sie unter der Trennung von Mann und Sohn, findet aber auch wieder zu einer neuen Beziehung. Mit ihren vielen Zweifeln an sich selbst war sie mir sehr sympathisch. Was die „Beziehung“ zu ihrem Vater angeht, hätte ich mir aber ein bisschen weniger „Mein Vater hätte jetzt gesagt…“ oder „Mein Vater hat immer…“ gewünscht. Ich denke, dass sie ihrem toten Vater gegenüber Schuldgefühle hat, weil sie vermutlich als Tochter genauso wie als Mutter und Ehefrau nicht perfekt war. Und das versucht sie nun aufzuarbeiten, indem sie die Mörder ihres Vaters jagd. Ich schätze, damit wird sie auch noch in den kommenden Bänden zu tun haben.

 

Nachdem mir der erste Fall von Ann Kathrin Klaasen nicht sooo gut gefiel, bin ich mit ein paar Vorbehalten an diesen zweiten Fall gegangen. Und wurde auf ganzer Linie positiv überrascht. Ich fand das Buch spannend bis zum Schluss und dazu die Thematik/Problematik interessant, eben weil sie nicht so einfach ist. Jetzt hab ich glatt Lust, weiterzulesen ☺

 

Reihenfolge:

Ostfriesenkiller

Ostfriesenblut

Ostfriesengrab

Ostfriesensünde

Ostfriesenfalle

Ostfriesenangst

Ostfriesenmoor

Ostfriesenfeuer

 

„Ich wollte nur Gerechtigkeit, … Für mich und auch für sie. Damit wir alle besser leben können.“