Rezension

Von Löwen und Lämmern..

Am Horizont die Freiheit - Jorge Molist

Am Horizont die Freiheit
von Jorge Molist

Bewertet mit 3 Sternen

1484, ein Fischerdorf in Spanien. Nach einem Piratenüberfall bleibt der 12 Jährige Joan allein mit seinem kleinen Bruder zurück, sein Vater ist Tod, Mutter und Schwester verschleppt. Die beiden Waisenkinder werden in ein Kloster nach Barcelona gebracht, in ihrem Dorf ist kein Platz mehr für sie. Doch auch im Kloster können sie nicht bleiben. Joan findet schließlich Arbeit bei einem Buchhändler, entdeckt seine Liebe zu Büchern und zu Anna. Sein weiteres Leben ist geprägt von seinem tiefen Wunsch nach Rache an den Männern, die im seine Familie genommen haben und seiner unerfüllten Liebe zu Anna. Beides bringt ihn mehr als einmal in Schwierigkeiten und treibt ihn schließlich über das halbe Mittelmeer.

Ich habe selten einen Roman gelesen, bei dem ich mir so unschlüssig war, was es darüber zu sagen gibt. Zunächst einmal muss man Molist zu gute halten, dass er ein wahrer Geschichtskenner ist. Die Geschichte ist gut recherchiert, die Fakten passen zusammen und er hat sie gut in eine Handlung eingewoben - die leider nicht wirklich überzeugen kann.

Ich habe verhältnismäßig lang gebraucht, um mich in die Handlung einfinden zu können. Obwohl der Autor auf einer sehr emotionalen Ebene schreibt und der Schreibstil durchaus überzeugen kann blieben mir die Protagonisten zunächst fern. Der 12 jährige Joan wurde von Anfang an für seine Pfiffigkeit und seine Intelligenz gelobt - die ich leider an diesem Teil des Buches noch nicht wirklich erkennen konnte.

Der Mittelteil des Buches hingegen konnte mich vollständig überzeugen. Ich fand es schön, mit zu erleben, wie Joan vom Jungen zum Mann heranwächst, seine Entwicklung war authentisch beschrieben und verlief nicht gradlinig und märchenhaft. Joan machte Fehler wie jeder andere auch und genau das machte ihn für mich sympathisch. Hier begann sich Spannung aufzubauen - ich fühlte mit, mit Joan, seinen Herren, seinem Bruder, und ich wollte wissen, wie sich die Geschichte weiter entwickelt.

Und dann.. ja, dann kam das Ende - damit meine ich in diesem Fall gut und gerne die letzten 150 Seiten. Gerade als mich meine Begeisterung für das Buch wirklich gepackt hatte war sie auch mit einem Schlag wieder verschwunden. Man könnte meinen, dass Molist plötzlich die Lust an der ganzen Sache verloren hat. "Ach, 500 Seiten haben wir schon, kein Konflikt ist gelöst, bringen wir das ganze mal flott über die Bühne." Am Anfang schweift der Autor aus, schreibt teilweise schon so langatmig dass der Leser gerne zum Punkt kommen würde und dann werden sämtliche lose Enden dürftig und schnell miteinander verwoben um zum Ende zu kommen.

Auch die beiden Protagonisten Joan und Anna gingen mir in diesem Teil - man kann es leider nicht anders sagen - nur noch auf die Nerven. Mit Joan habe ich sowieso eine Zeit gebraucht um warm zu werden, im letzten Teil hatte man allerdings das Gefühl, dass er noch infantiler war als zu Beginn der Handlung. Und da war er immerhin erst 12! Dennoch scheint sich für ihn auf wundersame Weisen immer alles zum Guten zu wenden - der Junge hat definitiv weitaus mehr Glück als Verstand! Anna hatte ich eigentlich von Anfang an als faszinierende Persönlichkeit wahrgenommen. Sie war eine - für die damalige Zeit - emanzipierte Frau, wusste was sie wollte und versuchte zumindest, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Je näher wir zum Ende kamen desto mehr wurde sie von der starken Frau zur Luftschlösser bauenden Prinzessin.

Alles in allem kann man Molist in meinen Augen keinesfalls mit einem Ken Follett vergleichen, wie es der Klappentext behauptet. Drei Sterne gibt es für den durchaus gelungenen Mittelteil und die gut recherchierten Fakten, mehr sind aber leider nicht drin. Kann man lesen - muss man aber nicht.