Rezension

Welches Ziel verfolgt die Autorin damit?

Hingabe -

Hingabe
von Bénédicte Belpois

In dieser "außergewöhnlichen Liebesgeschichte" (nicht meine Worte) beschreibt die Autorin, wie eine sehr junge, infantil wirkende Frau mit Missbrauchsvorerfahrungen aus einem Heim flüchtet, um auf dem Weg ans Meer vergewaltigt zu werden, nur um in ihrem neuen Wohnort in Galicien erneut vergewaltigt zu werden und in eine nicht gleichberechtigte Partnerschaft mit einem der Vergewaltiger zu rutschen. Das Ganze nennt sich dann "Liebe".

Entschuldigt diese platte Zusammenfassung, aber was soll man dazu sagen? Die Autorin schockiert in ihrem Roman, den sie in 15 Tagen im Zug runtergeschrieben hat (dies merkt man dem literarischen Niveau an), mit derber Sprache und noch derberen Vergewaltigungsszenen, die wie ein Rape Porn anmuten. Dabei wird die Figur der "Frau" Suiza durchgängig kindlich, mädchenhaft dargestellt und verdreht dem Spanier Tomàs mit ihren "Babyzähnchen" ungewollt den Kopf. Diese ständige Gleichsetzung von Niedlichkeit und Kindlichkeit mit Sexiness ekelte mich beim Lesen regelrecht an. Es gibt durchaus Romane, aus denen eine ähnliche Konstellation bekannt ist. Aber warum ist es hier ein Armutszeugnis des literarischen Werks? Weil die Autorin leider keinen Rahmen den Leser*innen anbietet, in dem das Gelesene richtig eingeordnet werden kann. Alles wirkt so, als ob Vergewaltigung nur grober Sex sei und es ganz natürlich, dass das Mädchen dabei ihr Einverständnis gibt, indem sie nicht "nein" sagt. Dies kreide ich der Autorin massiv an. Hier wird die Grenze, was legitim in einer sexuellen Beziehung ist und was nicht, nicht deutlich genug gezogen. Mit Erotik hat das Beschriebene übrigens nicht im Geringsten etwas zu tun. 

Der männliche Part dieser Geschichte wird durch die Ich-Erzählstimme von Tomàs eindeutig zu stark in den Fokus gerückt. Suizas Stimme hört man nur selten im Buch und dies auch leider ohne ausreichend das Erlebte einzuordnen. Im Mittelteil verschwindet ihre Stimme fast vollkommen. Hier hätte aus meiner Sicht das größte Potential des Romans gelegen, nämlich in der Ausformung eines Verständnisses für erlerntes Opferverhalten und Abhängigkeiten.

Auch wenn die beiden Hauptfiguren mit Tomàs und Suiza in ihrem Verhalten am Schluss konsistent und kongruent konstruiert wirken, so bleiben die Nebenfiguren leider nur holzschnittartig-stereotypen und verstaubten Vorstellungen unterworfen.

Allein das Ende dieses Romans, welches hier natürlich nicht verraten werden soll, hat mich in meinem abschließenden Urteil etwas milder gestimmt. Die im Klappentext bereits genannte "radikale Entscheidung" passt in ihrer Härte zu Tomàs' Figur. Leider reicht dies nicht aus, um in meinen Augen dieses Buch zu retten. Daher gibt es an dieser Stelle keine Leseempfehlung von meiner Seite. Zu wenig (gar keine) Trennschärfe zwischen Sex und Vergewaltigung; Hingabe und Nötigung; Liebe und Abhängigkeit. Das ist nicht erotisch sondern gefährlich!