Rezension

Wenn die Freiheit von Frauen zu einem Geschenk für Männer wird

Ex-Wife -

Ex-Wife
von Ursula Parrott

Bewertet mit 5 Sternen

Mit nur 24 Jahren ist Patricia Mitte der 1920er verlassene Ehefrau. Ihr Mann Peter hat sie wegen einer neuen Frau, Hilda, verlassen. Obwohl Patricia, genannt Pat, durchaus in einigen Aspekten als emanzipiert gelten kann, sie ist Werbetexterin, pflegt Freundschaften mit Männern etc., setzt die Trennung ihr schwer zu. Dies liegt nur zum Teil daran, dass sie Peter noch immer liebt. Schwer wiegt jedoch auch, dass die vermeintliche Freiheit, die sie als Frau nun genießt, in der noch immer tief patriarchalen Gesellschaftsordnung, keine echte Freiheit ist und sie von den Zwängen einer Ehe, dem Urteil eines Mannes, in die Zwänge der patriarchalen Gesellschaft und dem Urteil vieler Männer manövriert. 

 

Ein Trost und auch eine Form von Rettung ist die Bekanntschaft mit der 5 Jahre älteren  Lucia, ebenfalls Ex-Frau, die Pat unter ihre Fittiche nimmt und mit ihr zusammenzieht. So lernt Patricia mehr über ihre neue Rolle als junge hübsche Exfrau in dieser Gesellschaft, ihre Möglichkeiten und besonders ihre Grenzen. Ehe, Kloster, Straße: das sind in Kurzform die begrenzten Möglichkeiten der Frauen dieser Zeit. Der viel beschworenen neuen Freiheit fallen die Frauen eher zum Opfer, als dass sie davon tatsächlich profitieren. Denn dies tun die Männer. Die Macht der Männer und des Patriarchats wirken auf Patricia und ihre Freundinnen weiterhin fort, bei gleichzeitigem Zwang wirtschaftlich für sich zu sorgen in einem patriarchalen, ungerechten Arbeitsleben, ohne wirtschaftliche Sicherheit. Die Männer wiederum müssen keine Stabilität mehr liefern und können sich unverbindlichen Abenteuern ohne Verpflichtungen mit attraktiven jungen Exfrauen hingeben.

 

Eine echte Emanzipation Patricias von den patriarchalen Vorstellungen findet auch in Patricias Haltung kaum statt. Patricia leidet, beugt sich jedoch den Zwängen und kann sie auch innerlich nicht ablegen. Konsequent bedient sie ihre Rolle als Frau in dieser Gesellschaft, die stets hübsch, kokett, unterhaltsam, sorgend und verfügbar für Männer zu sein hat, egal ob als Ehefrau oder Exfrau. Die Frau als Objekt und Projektion für Schönheit.

 

Ex Wife ist daher vor allem ein Zeitzeugnis und zeigt in allen Nuancen auf, welchen gesellschaftlichen Zwängen Frauen in dem vermeintlichen Jahrzehnt der Freiheit unterworfen waren. Jenseits der Ehe wartet auf sie keine Freiheit, vielmehr waren sie vogelfrei - auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen von Männern in Wirtschaft und Gesellschaft ausgeliefert ohne die Stabilität und Sicherheit in einer Ehe. Was dies bedeutet, buchstabiert Ursula Parrott in einem unterhaltsamen und nachdenklich machenden Roman anhand von Patricas Geschichte aus. Besonders ihre Gedanken und Gefühle sind sehr nahbar gezeichnet und werden so nachvollziehbar und letztlich zu einem Spiegel der damaligen Gesellschaftsordnung.

 

Hervorzuheben ist auch das Vorwort und darin die Einordnung des Romans von Mareike Fallwickl.

 

Ex-Wife ist ein unterhaltsamer, wie nachdenklicher Roman und ein beeindruckendes Zeitzeugnis gleichermaßen. Mit feinem Gespür und großem sprachlichen Talent zeigt Ursula Parrott die Möglichkeiten und Zwänge von Frauen der Upperclass in den USA der 1920er Jahre auf und wirkt dabei in einigen Aspekten erschreckend aktuell! Ein beeindruckender Roman, der zu lange und zu unrecht in Vergessenheit geraten ist. Unbedingt lesen!