Rezension

Wenn man über seltsame Namen, teils dämliches Verhalten und Schleichwerbung hinwegsieht, und sich ganz auf den Kern des Buches einlässt, bekommt man eine echt berührende und spannende Geschichte serviert.

Liberty Bell - Johanna Rosen

Liberty Bell
von Johanna Rosen

Bewertet mit 3 Sternen

Als ich den Klappentext von Johanna Rosens “Liberty Bell. Das Mädchen aus den Wäldern” las, wollte ich das Buch unbedingt lesen, weil mich die Aussicht auf eine Liebesgeschichte zwischen einem verstörten Mädchen, das alleine im Wald aufwuchs und einem ‘normalen’ Jungen schon im Voraus gerührt aufseufzen ließ. Allerdings stellte sich dann heraus, dass ich mir das Ganze ein bisschen falsch vorgestellt hatte und stand der Geschichte erstmal sehr kritisch gegenüber.

So kam es, dass ich mich im ersten Drittel völlig an der Geschichte stieß. Ich ärgerte mich über die seltsamen Namen in der Jungs-Clique, z.B. Darayavahush – kann man sich für ein Buch nicht kürzere Namen einfallen lassen? – und auch darüber, dass immer wieder das Thema Religion aufkam, denn zwei aus dem Freundeskreis nehmen es mit ihrem Glauben sehr ernst. Außerdem war da noch allgemein das Verhalten dieser 17- und 18-jährigen Jungs… einerseits ständig auf Sex bezogen und andererseits superkindisch und einfach… nervig blöd (Anm.: Habe mir mittlerweile sagen lassen, Jungs in dem Alter wären so.). Was mir noch unangenehm aufgefallen ist, war übrigens, dass die Autorin extrem oft Markennamen nennt – von Levis über Nokia rattert sie scheinbar alle Marken herunter, die sie so kennt. Was soll das denn!? – “Hose” und “Handy” wären doch auch ok.

Leztendlich hat mich die Story an sich dann aber doch gepackt, denn es steckt mehr dahinter. Das Mädchen im Wald, Liberty Bell, ist natürlich nicht vom Himmel gefallen und es stellt sich erst gegen Ende heraus, woher sie kam – und diese Tatsache ist alles andere als schön und lag mir wie ein Stein im Magen, denn Gewalt spielt eine große Rolle. Sie war auch nicht von Anfang an allein dort – es hatte sich jemand um sie gekümmert, bis sie durch einen Vorfall völlig allein zurückblieb.

Wenn man aufmerksam liest, kann man selbst miträtseln, wie alles zusammenhängt. Ich kann soviel sagen: Die Familiengeschichten der Freunde werden nicht umsonst erzählt und nachdem Liberty Bell unfreiwillig aus ihrem Wald gebracht wird, gibt es kurz darauf Todesfälle in der kleinen Stadt. Meine zarte, aber eher unauffällige, Liebesgeschichte bekam ich auch noch. Sie tritt zwar nicht so in den Vordergrund, aber findet wenigstens überhaupt noch Platz.

Auf den ersten Blick wirkt diese Rezension sicher, wie eine Vernichtung. Aber nimmt man meinen zweiten Absatz mal weg und drückt fünf ‘mimimi-Augen’ zu, bemerkt man, dass die Geschichte gut durchdacht und keinesfalls platt ist. Ich lernte hier: Man sollte sich auf Geschichten einlassen und sich nicht schon vorher eine eigene Story zurechtlegen, die man jetzt gerne lesen möchte – denn da wird man meistens enttäuscht und bringt sich um ein eigentlich gutes Buch.