Rezension

Wirklich nicht schlecht, aber mit Liv wurde ich leider nicht warm

When the Night Falls -

When the Night Falls
von Carina Schnell

Bewertet mit 3.5 Sternen

First things first: Zunächst MUSS ich einfach die zauberhafte Gestaltung dieses Romans loben, da führt kein Weg dran vorbei. So hübsch! SOOO hübsch!! Nicht nur, dass Band 2 der Sommer-in-Kanada-Reihe von Carina Schnell mit Abstand einen der schönsten Buchschnitte hat, die ich je gesehen habe - nein, auch das Cover ist ein absoluter Eyecatcher! Ganz ehrlich, ich könnte es stundenlang ansehen und mich in den Tiefen des abgebildeten Sees verlieren. (By the way: SOLCHE Motive sollten meiner Meinung nach in den Warteräumen von Arztpraxen hängen: Bilder, die die Seele streicheln, die beruhigen und glücklich machen – nicht irgendwelche abstrakten Formen, just saying.) Ich kann mir nicht vorstellen, dass in einer Buchhandlung irgendjemand diesem Werk vorbeigehen würde, ohne zumindest kurz innezuhalten und es zu bewundern, unmöglich! Ihr merkt schon: Ich bin hin und weg.

Von der eigentlichen Geschichte, einer zarten, eher ruhigeren Second-Chance-Romance, war ich hingegen nicht ganz so angetan, wie ich es gehofft hatte. … hauptsächlich aufgrund der weiblichen Hauptfigur, die mir ungemein egoistisch und unreif vorkam. Und da ich jemand bin, der Antipathie nur sehr schwer bis gar nicht ausblenden kann, konnte ich dieses Gefühl nicht abschütteln, es lag für mich wie ein Schatten über der gesamten Story.

Ich habe mir diesen Eindruck wahrlich nicht leicht gemacht und genau in mich hineingehorcht - was genau störte mich an Liv?

Nun, zum einen beschließt sie, ihrem langjährigen Jugendfreud (der sie so abgöttisch liebt, dass er den Rest seines Lebens mit ihr verbringen möchte) nicht mal mitzuteilen, dass sie von einer Uni im Ausland angenommen worden ist. Jeder, der selbst mal eiskalt von einer Trennung/ Abfuhr/ Enttäuschung erwischt worden ist, die er absolut nicht hatte kommen sehen, wird sich denken: 'Ach, SO fühlt sich das also für die andere Seite an, wenn man spontan jemandem den Boden unter Füßen wegzieht - völlige Gleichgültigkeit.'

Livs Einstellung lautet: Ich bin dann mal weg, direkt nach dem Abschlussball hüpfe ich in den Flieger. OMG, I can’t wait! Übrigens: Wäre cool, wenn wir vorher in der Nacht noch "irgendwann von der Tanzfläche verschwinden, um ein letztes Mal in den leeren Gängen unserer Highschool rumzumachen". Thanks, Babe.

… Geht es noch ICH-bezogener?!

Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst Mama eines kleinen Jungen bin und jetzt schon Angst davor habe, dass ihm eines Tages jemand das Herz brechen könnte - jedenfalls hatte Will von der ersten Seite an meine vollste Unterstützung. Bei der Szene, als seine Mutter ihn voller Rührung verabschiedet … "»Bello mio«" … schnüff! Ich fühlte es so sehr, hatte fast Tränen in den Augen. Kein Wunder also, dass ich klar auf seiner Seite stand und Liv kritisch beäugte. Wills Fassungslosigkeit und Bestürzung, seine (berechtigte) Wut über Livs Kaltschnäuzigkeit verstand ich jedenfalls gut:

"»Was ist mit mir? Soll ich einfach hier herumsitzen und auf dich warten, bis du dich ausgetobt hast? […]« […] Betreten sah ich zu Boden. So ungefähr hätte ich fast geantwortet […]"

Erneut grübelte ich. Vielleicht wollte die Autorin anhand Livs Verhalten aufzeigen, dass man an der Schwelle zum Erwachsensein durchaus den ein oder anderen Fehler machen kann – eventuell sogar machen sollte, um dadurch wichtige Erfahrungen fürs Leben (und über sich selbst) zu sammeln. Dass es okay ist, in diesem Alter noch eine gewisse emotionale Unreife zu haben, weil die eigene Persönlichkeit erst nach und nach zum Vorschein kommt – und man womöglich erst viel später erkennt, woran (bzw. an wem) das eigene Herz tatsächlich am meisten hängt. Diesen Gedankengang kann ich nachvollziehen, dennoch überwog bei mir schlichtweg das Mitleid für Will. (Damit sage ich nicht, dass er unfehlbar ist - auch er leistet sich später ein, zwei Schnitzer, aber eben nicht von gleicher Tragweite wie Liv.)

Erschwerend kam hinzu, dass Liv auch nach ihrer Rückkehr in die Heimat weiterhin hauptsächlich auf ihr eigenes Wohl bedacht war: Ihrer nächsten Bekanntschaft namens Björn (- "diesem unglaublich netten, gut aussehenden Mann, der mein fester Freund sein wollte" -) ergeht es schließlich nicht besser als Will anfangs – auch ihm verschweigt Liv bewusst die Wahrheit, wenn dies gerade bequemer für sie ist. (So viel zum Thema emotionale Reife. Wirklich viel dazugelernt in Sachen Ehrlichkeit hat sie während ihres Studiums jedenfalls nicht.)

Kurzum: Ich mochte Liv nicht.

Die Settingbeschreibungen hätten für meinen Geschmack gerne etwas intensiver sein können, denn das idyllische, malerisch gelegene Städtchen St. Andrews in New Brunswick, klingt wahrlich nach einem tollen Wohlfühlort. Solch ein Kleinstadt-Flair ist genau mein Ding, in Romanen wie auch im realen Leben. Die auf dem Innencover abgedruckte Landkarte gefiel mir ebenso prima wie der Schreibstil der Autorin, der unterm Strich gut und flüssig war.

Fazit: Solide 3.5 Sterne
Ideal für New-Adult-Leser:innen und Kanada-Fans! Ich könnte mir gut vorstellen, dass mich die anderen Bände der Reihe mehr überzeugen werden, da es hier ausschließlich die weibliche Hauptfigur gewesen war, die mir das Leseerlebnis verhagelt hat. Klarer Fall von Geschmackssache; falls IHR Liv mögt, erwartet euch ein angenehmer Read.