Rezension

Zu viele Zeichnungen, zu wenig Text

Die Entdeckung des Hugo Cabret - Brian Selznick

Die Entdeckung des Hugo Cabret
von Brian Selznick

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der 12-jährigen Hugo Cabret ist bereits in jungen Jahren auf sich allein gestellt. Da sein Vater bei einem Museumsbrand ums Leben kam, muss Hugo zu seinem Onkel in den Bahnhof ziehen. Nachdem auch dieser spurlos verschwindet, ist Hugo vollkommen allein und verheimlicht das Verschwinden seines Onkels, damit er weiterhin unbeobachtet im Bahnhof leben und den Job seines Onkels übernehmen kann. Mit kleinen Diebstählen hält er sich halbwegs über Wasser, denn er hat eine ganz bestimmte Aufgabe: Er möchte den mechanischen Mann, eine Art Roboter, der eigenständig schreiben kann, reparieren, da Hugo hofft, dass sich hier eine geheime Botschaft seines Vater befindet.
Allerdings wird er bei einem seiner Diebstähle vom Spielzeughändler Georges Méliès erwischt, der Hugo androht, ihm beim Bahnhofswächter zu verraten, wenn er ihm nicht verrät, wofür er Zahlenräder und Schrauben benötigt. Georges Méliès entdeckt ein Notizbuch, dass Zeichnungen über den mechanischen enthält und nimmt es ihm ab. Hat Hugo noch eine Chance, den mechanischen Mann zu reparieren, wenn ihm die nötige Anleitung fehlt?

“Die Entdeckung des Hugo Cabret” ist Brian Selznicks erster Roman. Bereits auf den ersten Seiten merkt man, dass man hier ein ganz besonderes Buch in den Händen hält. Wer trotz eines Umfanges von knapp 550 Seiten glaubt, dass es sich dabei um einen dicken Wälzer über mehrere Tage Lesezeit handelt, wird schnell enttäuscht sein, denn dieses Buch hat man recht schnell in ein bis zwei Stunden durch, da die Geschichte zu zweidrittel nur aus Zeichnungen besteht. Die wenigen Seiten, die hier beschrieben sind, haben es jedoch in sich. Hugos Geschichte wird schnell erzählt und man fliegt nur so durch die Zeiten. Der Autor hält sich nicht groß mit Vorgeschichten auf, viel mehr ist man als Leser direkt mitten im Geschehen. Die Dialoge sind gelungen und die Charaktere wirken allesamt authentisch, auch wenn diese ein paar Schwächen aufweisen.

Die zahlreichen Illustrationen stammen ebenfalls vom Autor. Sie sind oftmals sehr detailliert gezeichnet und geben die Geschichte gut wieder und führen sie weiter, allerdings wäre ein bisschen mehr Text und weniger Zeichnungen für meinen Geschmack besser gewesen. Von den knapp 550 Seiten gibt es gerade einmal knapp 150-200 Seiten Text, die noch nicht einmal vollkommen ausgefüllt sind. Stellenweise hätte ich die Bilder lieber in Textform erlebt, weil die Geschichte dann noch mehr Schwung gehabt hätte. So bin ich beim ständigen Umblättern der Zeichnungen dann doch nach einer Zeit etwas gelangweilt gewesen, da ein flüssiges Lesen einfach nicht zustanden kommen konnte.

Auch mit den Charakteren hatte ich am Anfang meine Probleme. Zwar fand ich Hugo von Anfang an sympathisch, aber dennoch hat mir etwas bei ihm gefehlt. Er war mir eine Spur zu glatt, einige Ecken und Kanten hätten ihm gut gestanden. Allerdings ist seine Entwicklung im Laufe der Zeit enorm. Isabelle wirkt dagegen sehr häufig wie ein Fremdkörper. Sie versucht sich recht schnell mit Hugo anzufreunden, kommt dabei aber sehr naiv und aufdringlich rüber. Ihre Entwicklung ist leider auch nicht so groß wie bei Hugo, viel mehr wurde sie mir immer unsympathischer, je mehr ich über sie und ihr Handeln erfahren habe. Wirklich interessant ist dagegen Georges Méliès. Bereits bei seinem ersten Auftritt empfand ich ihn als geheimnisvoll und unnahbar, was sich während der Geschichte bestätigt hat. Seine Lebensgeschichte hat mich berührt und ich hätte am liebsten noch viel mehr über ihn erfahren. Hugo wird hier zwar als Hauptcharakter dargestellt, aber der heimliche Star ist für mich Georges Méliès, da mich dessen Geschichte mehr überzeugen konnte.

Die Covergestaltung ist gelungen, aber nicht unbedingt der größte Hingucker. Die Zahlenräder sind passend, dass Schloss allerdings eher weniger. Hier hätte ich mir lieber die Herzöffnung gewünscht, die immer wieder in der Geschichte erwähnt wird. Sehr gelungen ist dagegen die Kurzbeschreibung, die weder zu viel, noch zu wenig verrät und neugierig auf mehr macht.

Insgesamt konnte mich “Die Entdeckung des Hugo Cabret” trotz mancher Schwächen zum Teil überzeugen. Da die größte Schwäche hier jedoch die zu vielen Zeichnungen sind, ist mir der Lesespass zwischendurch immer wieder verloren gegangen. Sollte man das Buch dennoch kaufen? – Ja, denn Hugo Cabret und Georges Méliès geben ein wunderbares Zusammenspiel ab, das man nicht verpassen sollte.