Rezension

Zwischen den Zeilen

Das Leben der Elfen - Muriel Barbery

Das Leben der Elfen
von Muriel Barbery

„Non c´è uomo che non sogni“  -  „Es gibt keinen Menschen, der nicht träumt.“

Mit diesem Zitat könnte man Muriel Barberys Roman kurz umschreiben. Denn was der Leser hier erlebt, gleicht mit all seiner Nebel- und Schattenhaftigkeit der Flüchtigkeit von Träumen.

Zwei kleine Mädchen wachsen als Findelkinder bei fremden Menschen auf; Maria bei einer Bauernfamilie in Frankreich, Clara bei einem Pfarrer in Italien. Ihre besonderen Begabungen werden von den Menschen ihrer Umgebung schon früh erkannt. Während Maria in völliger Harmonie mit der sie umgebenden Natur lebt, besitzt Clara die Gabe, mit ihrem Klavierspiel Bilder erstehen zu lassen und tiefe Gefühle zu wecken. Doch während die Mädchen langsam heranwachsen, lernen und mehr über sich und ihre Herkunft erfahren, ziehen dunkle Mächte auf, die Verderben und Vernichtung im Sinn haben. Eine Katastrophe kündigt sich an.

Mit wunderschönen, poetischen Worten und Sätzen verwickelt die Autorin den Leser in ein Gespinst aus Märchen und Realität. Sie webt ihn gewissermaßen in ein Netz aus natürlichen und übernatürlichen Vorgängen, verbindet Naturphilosophie und Kultur, stellt einfache, bodenständige Menschen neben elfenhafte Wesen. Dabei bleiben ihre Aussagen oft selbst ein wenig undeutlich und versteckt in dem mysteriösen Nebel, der ihre Erzählung durchwabert.

Die bildhafte Sprache zieht uns in ihren Bann, verzaubert uns. Doch der Roman fordert uns einiges mehr ab: nämlich viel Geduld und die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Autorin erwartet von dem aufmerksamen Leser die Erkenntnis, dass wir uns wieder mehr bewusst machen müssen, was Menschen über zeitliche, örtliche und sprachliche Grenzen hinaus in Harmonie vereinen kann; nämlich Werte wie Natur und Kultur, Musik, Malerei und Poesie; in der Erzählung personifiziert in den Figuren Maria und Clara. Sie gilt es zu verteidigen und zu erhalten, sie bilden die viel beschworene Brücke zu gegenseitigem Verständnis. „Ich werde bewahren“  lautet daher auch der Schlusssatz des Romans.

„Das Leben der Elfen“ als Allegorie enthält meines Erachtens wichtige Anregungen zum Nach- und Weiterdenken.