Rezension

Der Hase in dir

Das Leben der Elfen - Muriel Barbery

Das Leben der Elfen
von Muriel Barbery

Bewertet mit 4 Sternen

Seit der Peter Jackson Verfilmung vom Herrn der Ringe sehe ich bei dem Wort Elfen immer sofort Legolas vor mir. Das ist ein bisschen lästig, vor allem wenn man Bücher liest, die nicht der Herr der Ringe sind. Daher danke ich an dieser Stelle dem dtv-Verlag vorab für die schlichte Cover-Gestaltung zu Muriel Barberys Roman. Der einsame Hase konnte meinen Kopf austricksen – kein Legolas, keine spitzen Ohren, keine Erwartungen an einen epischen Fantasyweltenkrieg. Stattdessen überraschte mich der Text mit seiner Poesie, seinen Naturbetrachtungen und sein wie-aus-der-Zeit-gefallen-sein.

Die Handlung wäre leicht erzählt und erinnerte mich im Ton stark an die Kunstmärchen aus dem 19. Jahrhundert. Gleich einem Märchen ist der thematisierte Kampf zwischen Gut und Böse. Und sehr biblisch die Lichtgestalt Maria, die zusammen mit Clara, dem anderen auserwählten Mädchen, dazu bestimmt scheint, sich dem Bösen entgegen zu stellen. Muriel Barbery will sich in keine Schublade stecken lassen. Genre scheinen sie nicht so sehr zu interessieren. Als Leser tut man gut daran, dem Text sehr offen zu begegnen, etwaige Erwartungen an die Geschichte, die Figuren, die Handlung erfüllt sie nicht. Ihr zuweilen sphärischer Erzählton, die geheimnisvoll-verwinkelten Formulierungen und die unklare zeitliche Einordnung des Geschehens sind sicher nicht jedermanns Sache. Das Leben der Elfen liest sich nicht so ohne weiteres für zwischendurch. Zu schnell verwickelt sich der Faden, während man mit dem halben Ohr auf dem Weg zur Arbeit Handygespräche der Mitreisenden aufschnappt. Die Poesie verliert sich, wenn sie nicht die gesamte Aufmerksamkeit bekommt. Barbery schenkt dem aufmerksamen Leser hingegen tolle Bilder, die sich weit über die Lektüre hinaus tragen. Es sind Idealbilder, Poesien von Natur, Musik, Menschen und Gemeinschaft und irgendwie auch von der Vorstellung von Elfen. Aufrechte, einfache Menschen. Elfen zwischen Gut und Böse, Mensch und Fabelwesen, Natur und Tier. Meine Rezension vermag nur einen einfachen ersten Leseeindruck wiedergeben. Eine Interpretation traue ich mir nicht zu, ich bin beschäftigt damit, nachzufühlen, was mir Barbery mit dem Leben der Elfen auf den Weg geben will und kann mich derzeit für keine Theorie entscheiden. Lieber hänge ich noch ein Weile den Bildern in meinem Kopf nach und werde dann ein zweites Mal zu dem Buch greifen. Mal sehen, was sich dann neues im Text entdecken lässt.