Rezension

August

Zitronen -

Zitronen
von Valerie Fritsch

Bewertet mit 4 Sternen

Zitronen – Valerie Fritsch

Anders als der Titel das erwarten lässt, ist dies ein außergewöhnlich düsterer Roman mit nur ganz wenigen positiven Szenen. Überhaupt wirken diese Szenen in denen Zitronen vorkommen, eher gezwungen, wie als ob man den Titel rechtfertigen wollte. Keine Ahnung warum man sich da nicht einfach was anderes einfallen hat lassen…

August Drach hat eine sehr schwierige Kindheit. Kaum ist der prügelnde Vater weg, perfektioniert die psychisch labile Mutter ihr bereits bestehendes Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Sie mischt dem Sohn Tabletten ins Essen und sorgt dafür, dass er krank ist und bleibt. Sie selbst sonnt sich im Mitleid und der Bewunderung ihres Umfelds.

Dieses erste Drittel, das Augusts Kindheit behandelt, fand ich ganz große Klasse. Denn neben dem extrem spannenden Thema, erzählt Valerie Fritsch in einer genialen Sprache. Sehr klar und pointiert, dennoch poetisch, sagt sie unheimlich viel mit wenigen Worten. Da gibt es unzählige tolle Stellen, die man sich am liebsten notieren möchte. Durch eine gewisse Distanz, schlägt die unbegreifliche Handlung nur umso stärker ein.

Sprachlich bleibt dieser Roman durchgehend ganz wunderbar, leider kann er aber inhaltlich sein Niveau nicht immer halten. So gibt es einen Mittelteil, der mich kaum berührt hat, wohingegen der Schlussteil mich wieder mit der Geschichte versöhnt hat. August wird erwachsen und bemüht sich nach Kräften seine Mutter und seine Kindheit hinter sich zu lassen. Klar, dass das so einfach nicht ist.

Es ist ein schwieriges Thema und die Autorin macht es einem nicht immer leicht. Das Weltbild ist generell sehr düster und Gewalt spielt eine große Rolle in diesem Buch. Wie beiläufig werden verschwundene Kinder, häusliche Gewalttaten etc. quasi im Nebensatz erwähnt.

Im Endeffekt geht es in diesem Roman darum, wie sehr Erlebnisse in der Kindheit einen Menschen prägen und wie wenig es einem möglich ist, sich vollständig davon zu lösen. Zudem ist dies eines jener Bücher, die beinahe komplett ohne einen einzig sympathischen Protagonisten auskommen. Zu groß ist hier entweder die Distanz, oder zu eklatant die Störung der Persönlichkeit. Man kommt aus dem Kopfschütteln kaum heraus angesichts der ungeheuerlichen Begebenheiten. Oftmals übertreibt es die Autorin auch und wird kitschig bzw. unglaubwürdig. Auf jeden Fall ist dieser Roman eindringlich und intensiv. Aber, wie gesagt, er hat auch seine Durchhänger.

Insgesamt kann der Inhalt nicht ganz mit der Sprache mithalten. Zwischendurch war ich gelangweilt und auch genervt. Dennoch hat diese beeindruckende Geschichte einen starken Eindruck hinterlassen, hat mich nicht kalt gelassen.

Deswegen, trotz aller Kritikpunkte – 4 Sterne