Rezension

Schmerzhaft

Zitronen -

Zitronen
von Valerie Fritsch

Bewertet mit 3.5 Sternen

Als Augusts Vater buchstäblich über Nacht verschwindet erlebt der Junge endlich ein wenig Freiheit. Keine Schläge und keine konsequente Unzufriedenheit treiben ihn mehr durch den Tag. Doch dann wird er krank. Und er bleibt es. Vorbei ist es mit den Wilhelm-Tell-Spielen im Apfelgarten. Vorbei mit Schule und rennen und Freunde treffen. Was er nicht ahnt: Schuld an seiner Krankheit ist seine Mutter, die ihn regelmäßig mit Medikamenten vergiftet. Denn nur als Trösterin und Pflegerin fühlt sie sich erfüllt.

Man ahnt es schon: Diese Geschichte nimmt einen richtig mit! Und Valerie Fritschs Sprache setzt nochmal einen drauf. Mit wenigen Worten schafft sie es Dynamiken und Szenen zu beschreiben, für die andere mehrere Sätze brauchen würden. Der Ton ist nüchtern, aber teils so poetisch und so wahr, dass es schmerzt.

"Der Vater rührte keinen Finger, aber erhob oft die Hand."

Man braucht etwas Konzentration beim Lesen; die Sprache ist wunderschön aber sie fordert. Valerie Fritsch schreibt so dicht, dass es einen fast erschlägt. Auch zeichnet sie ein ziemlich düsteres Bild von der Welt. Nur ein Urlaub im Süden mit Meer und den titelgebenden Zitronen zeigt, dass sie durchaus auch Helles schreiben kann.

"Ohne es zu wissen, zwang er die Mutter ein eine Normalität hinein, von der sie sich schon lange entfernt hatte. Plötzlich war sie eine Puppenspielerin, von deren Fäden ein echter Mensch davonlief."

Mich hat das Buch leider an dem Punkt etwas verloren, an dem August seinen Weg ohne die Mutter fortsetzt. Die Teile, die in seinem Heimatdorf spielen fand ich toll. Die Teile in der Stadt konnten mich nicht abholen. Hier zog es sich für mich, faserte stellenweise aus und wollte mich auch mit den sprachlichen Bildern nicht mehr begeistern. Das Ende fand ich wieder sehr rund, es hätte für mich aber auch gerne eher kommen dürfen.

Insgesamt also eine zwiespältige Lektüre, die mit ihrer fordernden dichten Sprache gleichzeitig besticht und abschreckt. Die Autorin hat ohne Frage ein riesiges schriftstellerisches Talent, nur leider will es für mich inhaltlich nie durchgängig passen. Trotzdem hat es sich allein für das ein oder andere sprachliche Bild gelohnt den Roman zu lesen - obwohl die Begeisterung auf dem Weg verloren ging.