Rezension

Außergewöhnlich guter Erzählstil, aber nichts für zarte Gemüter

Runa
von Vera Buck

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es fällt mir sehr schwer eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben, denn selten hat mich ein Buch so polarisiert wie dieser historischer Roman um den Medizinstudenten Jori und das sonderbare Mädchen Runa. 
Die Handlung ist im Jahr 1884 in der Pariser Klinik Salpêtrière, einer Anstalt für psychisch kranke Frauen, angesiedelt. Jori möchte unter dem berühmten Nervenarzt Professor Charcot promovieren, auch um seiner psychisch kranken Freundin Pauline mit seinen Forschungsergebnissen zu helfen. Sein Ziel ist es, die Krankheit aus dem Gehirn "wegzuschneiden". 
Als die kleine Runa in die Klinik kommt, an der sämtliche gängigen Behandlungsmethoden fehlschlagen, scheint sie die perfekte Versuchsperson zu sein...
Viele der im Roman vorkommenden Personen sind historisch belegte Persönlichkeiten und auch die beschriebenen Behandlungsmethoden und medizinisch-wissenschaftlichen Forschungen haben tatsächlich so stattgefunden. 
Hier hat Vera Buck sehr genau und detailreich recherchiert und historische Fakten geschickt in die fiktive Geschichte um Runa und Jori eingebaut. 
Das ist aus rein wissenschaftlicher Sicht durchaus  sehr interessant, denn viele der damals gewonnenen Erkenntnisse sind auch heute noch gültig, allerdings sind die beschriebenen Experimente an den Kranken aus unserer heutiger Sicht äußerst grausam und menschenverachtend. Hier geht die Autorin schon sehr ins Detail. 
Für mich war das phasenweise wirklich schwer zu ertragen und nur dem außergewöhnlichen Erzähltalent der Autorin ist es zu verdanken, dass ich das Buch nicht zur Seite gelegt habe. 
Auch über den etwas verworrenen Beginn des Romans hat mir der tolle Schreibstil hinweggeholfen. In der zweiten Hälfte des Buches wird es richtig spannend und die vielen losen Fäden laufen zusammen und bilden ein logisches Ende.
Fazit: Dieser Debütroman ist etwas Besonderes und überzeugt vor allem durch seinen außergewöhnlich mitreißenden Sprachstil. Die Story ist intelligent konstruiert, der medizinisch-wissenschaftliche Hintergrund gut recherchiert und in die Handlung integriert. 
Aber: Viele Szenen im Buch sind äußerst grausam und nichts für zarte Gemüter. 
Bei der Vorstellung was damals im Namen der Wissenschaft mit den bedauerlichen Patientinnen angestellt wurde, kann man sich nur mit Grausen abwenden. Für mich hätte es hier etwas weniger detailliert sein können und daher mache ich Abstriche bei der Bewertung.