Rezension

Babylonische Verwirrung

Babel -

Babel
von Rebecca F. Kuang

Bewertet mit 3 Sternen

Genremix mit hohem (interessantem) Sachbuchanteil im Bereich Sprachwissenschaft. Starkes Thema: Rassismus/Kolonialmacht, aber wenig Magie.

Selten lese ich Fantasy oder verwandte Genres. Babel hat mich aber sofort angesprochen: Ein großartiges Cover und die Handlung versprach alles, was man sich als Bücherratte wünschen kann: Oxford in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein geheimnisvoller Turm, Babel genannt, in dem die wichtigsten Sprachwissenschaftler und begabtesten Übersetzer des Landes arbeiten, um den Reichtum des Königreichs zu mehren und dessen Größe auszuweiten. Ein Waisenjunge, der von China über London nach Oxford kommt und dessen unheimlicher Vormund Prof. Lovell ihn in Sprachen unterrichten läßt, bis Robin selbst in Babel studieren darf. Zusammen mit Ramy, Victoire und Letty bildet er ein Kleeblatt, das in den folgenden Studienjahren fest zusammenhält, trotz aller Differenzen.

Das Buch hat für viele wahnsinnig gut funktioniert, für mich leider nicht. Zunächst konnte mich die Geschichte noch völlig gefangen nehmen, mit den unglaublich detaillierten Einblicken in die Übersetzerarbeit und die sprachwissenschaftlichen Details. Die ganze Atmosphäre der Universitätsstadt ist glänzend dargestellt. Aber die Handlung rund um Robin und seine Gefährten (ein Schelm, wer hier eine Anspielung sieht) hat mich im Laufe der über 700 Seiten immer weniger gefesselt. Mir sind die Charaktere nicht nahegekommen und ich habe tatsächlich das Interesse an ihnen verloren. Während in der ersten Hälfte der schon fast sachbuchartige sprachwissenschaftliche Anteil überwiegt (Achtung: zahlreiche Fußnoten), geht die Handlung immer stärker dazu über, die Kolonialmacht Großbritannien, den Rassismus und auch in die Industrialisierung und ihre Folgen an den Pranger zu stellen und mit allen Mitteln zu bekämpfen. Dieser Kampf artet für mich irgendwann völlig aus. Von Magie ist über weite Strecken nichts zu lesen, sie ist im Hintergrund immer vorhanden, wird aber wenig zum Einsatz gebracht. Wahrscheinlich tue ich der Autorin Unrecht, aber mir schien es teilweise so, als sei die Handlung um Robin um diese anderen Aspekte drumherumgestrickt worden.

Für mich war dieser Genremix aus Sachbuch, Fantasy und starken gesellschaftskritischen Elementen (die Hintergründe sind unbestritten und werden deutlich durch die Autorin dargestellt) leider nichts. Kuang hat einen schönen und bildhaften Schreibstil, allerdings gibt es Passagen, die einfach zu lange geraten sind und die Handlung kommt teilweise kaum voran. Der Roman hat bereits eine große Fangemeinde und die sei ihm ohne Frage gegönnt. Die Autorin ist selbst Sprachwissenschaftlerin und Übersetzerin und diese Kenntnisse bringt sie ganz großartig ein. Daneben sei nochmals auf die wirklich wunderschöne äußere Erscheinung des Romans mit edlem Coverbild, Golddruck, Prägedruck und Lesebändchen hingewiesen.