Rezension

Ein lesenswerter Brocken

Babel -

Babel
von Rebecca F. Kuang

"Babel" selbst ist wie ein Silberbarren. Ein Brocken, der schwer im Magen liegt, aber eben auch unglaublich wertvoll.

Sprache ist etwas Mächtiges. Sie ist der entscheidende Faktor, der ganze Nationen eint. Sie schafft Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl. Sie ist Identität. Aber gerade deshalb bewirkt Sprache auch oft das Gegenteil. Betrachtet man ihre Wirkung nationenübergreifend, so stellt man fest, dass es gerade die Sprache ist, die verschiedene Nationen unwiederbringlich voneinander abgrenzt. Sie betont gnadenlos Unterschiede und führt im schlimmsten Fall zur Ausgrenzung von Andersartigem.

Auch auf der persönlichen Ebene ist Sprache ein aussagekräftiger Machtfaktor. Die Art und Weise wie jemand spricht - ob er sich gewählt ausdrückt, einen bestimmten Dialekt verwendet oder einen ehr begrenzten Wortschatz hat - bestimmt unser Bild von dieser Person; in welcher Sprache ein Mensch kommuniziert sagt ebenso viel aus: Ist uns jemand vertraut oder fremd? Fühlen wir uns mit jemanden spontan verbunden oder stellt die Sprache eine schier unüberwindbare Barriere dar?

 

Mit ebendiesen Fragenstellungen und Überlegungen zum Thema Sprache hat sich auch Rebecca F. Kuang beschäftigt. Allein für die Tatsache, dass sie es geschafft hat, ihre Gedanken zu dieser komplexen Thematik allesamt unter einen Hut zu bringen, in eine Geschichte einzupflanzen und diese dann in ein Buch zu verwandeln, hat sie meine Hochachtung. Welch eine Leistung! Dass diese Geschichte ein Dark-Academia-Setting besitzt, im intellektuellen Oxford spielt und darüber hinaus auch noch den Namen "Babel" trägt, ist schon fast zu viel für mich und mein ordnungsliebendes Herz. Alles passt perfekt zusammen, jedes Zahnrad greift exakt ins nächste - ich bin sprachlos, allerdings auf die beste Weise.

 

Wenn man das Buch dann erstmals vor sich liegen hat, denkt man sich vermutlich etwas von wegen: "Hui, was für ein Brocken." Nachdem ich nun das Vergnügen mit Babel hatte, kann ich bestätigen, dass es nicht nur optisch und gewichtsmäßig ein Brocken ist, sondern auch inhaltlich.

Versteht mich nicht falsch, das meine ich in keiner Hinsicht negativ. Sowohl das akademische Magiekonzept der Silberbarren als auch der Umgang mit sämtlichen -ismen haben mich schwer beeindruckt. Die Autorin hat wirklich ein großes Talent dafür, stets den richtigen Ton zu finden und so ihre Kritik an Kolonialismus, Rassismus und Sexismus auf völlig unverfälschte und realitätsnahe Weise wiederzugeben. Sämtliche Emotionen, die die betroffenen Figuren empfanden - die Frustration, die Wut, die Hoffnungslosigkeit - spiegeln auf beängstigende Art und Weise den schmutzigen Boden der Tatsachen unserer Welt wieder. Rebecca F. Kuang spricht die harten und unschönen Fakten aus und das ist gut so.

 

Was die Struktur der Geschichte betrifft, so hege ich noch gemischte Gefühle. Einerseits schätze ich es sehr, dass die Autorin so viel Wert auf eine ordentliche Einführung in die Geschichte und Konfliktentwicklung gelegt hat, aber andererseits ist mir die Gewichtung der einzelnen Teile auch etwas suspekt. Wo anfangs alles nur regelrecht dahin plätschert, trifft einen dann ab einem gewissen Punkt schlichtweg der Schlag. Und mit diesem Schlag hört es nicht auf, es folgt der nächste und der nächste. Irgendwo war das bestimmt gut so, ich fühlte mich nur eben einfach etwas erschlagen. 

Darüber hinaus hatte ich zuweilen auch gewisse Probleme, die Handlungsweisen mancher Figuren zu verstehen. Vielleicht waren die einzelnen Charaktere doch zu schwammig gezeichnet, vielleicht war alles auch einfach etwas viel: Silberbarren hier, Geheimbund dort, wohin man nur sieht die Verbrechen des britischen Königreichs - wie gesagt, ein Brocken.

 

Nichtsdestotrotz hatte ich eine gute Zeit beim Lesen, habe mit Robin und seinen Freunden mitgefiebert, mit ihnen triumphiert und gelitten und dabei die kritisch hinterfragende Art von Rebecca F. Kuang stets besonders genossen. Obwohl ich mich mit solch langen Büchern schon sehr schwer tue und gewissermaßen auch Angst vor ihnen habe, bin ich sehr froh, mich hier durchgebissen zu haben.

"Babel" ist wie ein Silberbarren. Ein Brocken, der schwer im Magen liegt, aber eben auch unglaublich wertvoll.