Rezension

Ein Meisterwerk

Babel -

Babel
von Rebecca F. Kuang

Bewertet mit 5 Sternen

„Babel“ erzählt die Geschichte von Robin Swift, der als 9jährige Waise von Professor Lovell nach London gebracht wird. Er wird in Latein, Altgriechisch und Chinesisch unterrichtet, um am Königlichen Institut für Übersetzung an der Universität Oxford (Babel) studieren zu können. Dort wird nicht nur Übersetzung gelehrt, sondern auch Magie. Denn das Silberwerk hat dem Empire Macht und Einfluss gebracht.

Rebecca F. Kuang ist Marshall-Stipendiatin, Übersetzterin und hat einen Philologie-Master in Chinastudien der Universität Cambridge und einen Soziologie-Master in zeitgenössischen Chinastudien der Universität Oxford.

Heide Franck und Alexandra Jordan haben diesen wunderbaren Roman übersetzt.

Eine Vorbemerkung der Autorin erklärt ihre Darstellung des historischen Englands, insbesondere der Universität von Oxford. Damit wird klar, welche historischen und örtlichen Veränderungen sie vorgenommen hat. Vor allem aber weist sie ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt. Dies kann, vor allem gegen Ende dieses fantastischen historischen Fantasyromans, durchaus vergessen werden.

In der ersten Hälfte des Romans geht es um Robins Ausbildung. Zunächst wird er abgeschieden im Haus von Professor Richard Lovell von Privatlehrern unterrichtet. Zuneigung erfährt er nicht, von ihm werden Gehorsam und Lerneifer erwartet, freie Zeit hat er nur wenig. Erst in Oxford lernt er Gleichaltrige kennen. Sein Jahrgang umfasst nur vier Studierende, die eher eine Notgemeinschaft bilden als dass es sich um echte Freundschaft handelt. Neben Robin sind es der Inder Ramiz Rafi Mirza, die in Frankreich aufgewachsene Haitianerin Victoire Desgraves und Letitia „Letty“ Price, Tochter eines englischen Admirals. Neben diesen dürren Daten erfährt der Leser zunächst wenig über sie. Sie bleiben unscharf, was auch für Professor Lovell und seine Absichten gilt. Erst nach und nach, mitunter zwischen den Zeilen, kommt vieles zum Vorschein. Alle haben ihre Geheimnisse, die sie sorgsam vor den anderen verbergen.

Mich haben die Ausführungen und Gespräche zur Etymologie und zu den Übersetzungen sehr fasziniert. Viele Fußnoten ergänzen die Ausführungen, die ich absolut spannend finde. Im zweiten Teil wird es politisch. Robin erkennt, welche Aufgabe Babel wirklich hat und wie alles miteinander zusammenhängt. Robin, Ramiz, Victoire und Letitia müssen Entscheidungen treffen und sie tun es, jeder auf seine Weise.

Karten des fiktiven Oxfords und Babels, den einzelnen Teilen vorangestellte Wappen des Instituts und passende Zitate zu Beginn eines jeden Kapitels vervollständigen diesen lesenswerten Roman.

Dieses Roman ist weit mehr als eine Hommage an die Sprache und ihre Magie, es geht um Rassismus, um Sexismus, um Diskriminierung, um Macht und Machtmissbrauch, um Unterdrückung, Kolonialismus und Weltherrschaft. Aus diesem Grund ist die fiktive Geschichte um den 1836er Jahrgang des Königlichen Instituts für Übersetzung an der Universität Oxford auch heute noch in vielen Bereichen leider sehr aktuell.