Rezension

Bist du vielleicht doch kein "Mörderkind"?

Mörderkind - Inge Löhnig

Mörderkind
von Inge Löhnig

Bewertet mit 4 Sternen

Die 25-jährige Fiona Jacoby hat in ihrem Leben schon so einige Jobs ausprobiert. Seit drei Wochen verdient sie ihr Geld als Fahrradkurier, kein Traumjob, aber immerhin kann man damit sein WG-Leben finanzieren. Ihr Traum ist es, an der Filmhochschule zu studieren, doch ihr Stolz verbietet es ihr, sich dort zu bewerben, denn das wäre zu nah an dem, was ihre Eltern waren: Künstler. Ihre Mutter Lydia war Malerin und ihr Vater Ben baute Skulpturen. Doch das war vor sehr langer Zeit, heute ist alles anders. An einem überaus miesen Tag erhält sie von ihrem Onkel Ludwig noch die Nachricht, dass ihr Vater verstorben ist - wenigstens eine gute Nachricht an diesem Tag aus Fionas Sicht.

 

Am nächsten Morgen bekommt sie unerwarteten Besuch. Matthias Stiller ist Rettungsassistent und war derjenige, der beim Tod ihres Vaters vor Ort war. Seine letzten Worte sollte er seiner Tochter Fiona übermitteln. Er habe seine Tochter immer geliebt und er sein kein Mörder - so die Botschaft. Fiona fällt aus allen Wolken, hatte sie doch Ben vollkommen aus ihrem Leben gestrichen, denn immerhin war dieser Schuld, dass ihre Kindheit von einem Tag auf den anderen vor 19 Jahren abrupt endete und sie fortan nur noch das "Mörderkind" war, denn vor 19 Jahren soll Ben seine Geliebte Julia Reinhold ermordet haben, nachdem diese sich geweigert hat, das gemeinsame Kind abtreiben zu lassen und gedroht hat, seiner Frau alles zu beichten, was zur Folge gehabt hätte, dass seine Frau ihn umgehend verlassen hätte. Ben wurde seinerzeit zu 15 Jahren Haft für diese Tat verurteilt, Fionas Mutter beging einen Tag nach der Verurteilung Selbstmord und Fiona hat den Rest ihrer Kindheit als "Problemkind" bei ihrem Onkel Ludwig und seiner Frau Sabine verbracht. Diese nahmen das Kind  nicht aus Nächstenliebe aus, sondern um den familiären Ruf zu wahren, der eh, dank Ben, schon ziemlich zerstört war. Für Fiona war es schrecklich, denn anstatt der Liebe ihrer Eltern musste sie fortan ohne jegliche Zuneigung leben und auch ohne Freunde, denn wer will schon mit einem "Mörderkind" befreundet sein?

 

Nun ist Fiona erwachsen, doch die Vergangenheit hat Spuren hinterlassen. Ihre einzige Freundin ist Bea, eine Krankenschwester, mit der sie in einer WG lebt. Auch ist sie nicht in der Lage eine Beziehung zu einem Mann einzugehen, die länger als eine Nacht dauert bzw. etwaige Verpflichtungen mit sich bringt, denn sie könnte ja wieder verlassen werden. Doch etwas in ihr beginnt zu arbeiten. Dieser Matthias Stiller war der Meinung, dass ein Mensch bei seinen letzten Worten niemals lügen würde und da er selbst vor Ort war, hat Ben seiner Meinung nach die Wahrheit gesagt. Kann es sein, dass er doch kein Mörder war? Eine Möglichkeit, die Fiona nicht wirklich in Betracht zieht, denn immerhin ist er rechtskräftig verurteilt worden und hat seine Strafe abgesessen, auch wenn er immer behauptet hat, er wäre unschuldig. Was geschah damals vor 19 Jahren wirklich? Fiona beschließt, ein wenig in der Vergangenheit zu forschen, auch wenn sie nicht von Bens Unschuld ausgeht, doch was hat sie zu verlieren. Ein "Mörderkind" ist sie so oder so, aber vielleicht ist sie das ja zu Unrecht? Kann es sein, dass ihrem Vater / ihrer ganzen Familie Unrecht getan wurde? 

 

 

Bist du vielleicht doch kein "Mörderkind"? Der Plot des Buches wurde abwechslungsreich und spannend ausgearbeitet. Besonders gut hat mir gefallen, dass das Buch sowohl einen Einblick in die Gegenwart gegeben hat, wie auch in die Vergangenheit, der Leser also parallel erlesen konnte, was seinerzeit geschah und was derzeit passiert. Die Figuren wurden authentisch und facettenreich erarbeitet. Allerdings hatte ich doch einige Probleme, mich in die Figur der Fiona einzufinden, denn diese ist recht sprunghaft und teils noch sehr naiv für ihr Alter. Gerade bei solch einer Vergangenheit bin ich vorab davon ausgegangen, dass gerade das sie geerdet hat. Die Figur des Matthias hingegen empfand ich als sehr gelungen dargestellt, aber irgendwie wage ich sehr zu bezweifeln, dass es solche Männer, die das Ziel verfolgen, an das sie glauben bzw. wenn sie der Meinung sind, das richtige zu tun, wirklich gibt. Den Schreibstil empfand ich als spannend und kurzweilig gehalten, sodass sich das Buch sehr gut und leicht lesen ließ und mir schöne Lesestunden bereitet hat.