Rezension

Das Verschwinden aus den Maßstäben

Niemand verschwindet einfach so - Catherine Lacey

Niemand verschwindet einfach so
von Catherine Lacey

Bewertet mit 5 Sternen

Elyria verschwindet aus ihrer Ehe und aus ihrer Heimat und im fernen Neuseeland erkennt sie, dass sie auch aus sich selbst verschwunden ist.

Der Entschluss zu verschwinden kommt unvorhergesehen. Nach außen hin führt sie eine normale Ehe, doch Ihr Mann fügt sie in seine eigene Ordnung ein. Das sichtbare Interesse ihrer Mutter ist unecht. Der Verlust durch den Tod ihrer Schwester zehrt sie auf. Die Angst zu zerbrechen wird übermächtig.

Sie hat nur einen Plan und der ist das Ziel – eine Farm in Neuseeland. Ohne jegliche Vorbereitung, außer dem Flugticket und ein bisschen Geld, steht sie an den Straßenrändern Neuseelands und lässt sich mitnehmen, von Ort zu Ort. Was anmutet wie eine Flucht ist eine Reise zu ihrem verschwundenen Selbst, zu ihren verdrängten Gefühlen.

Die Jetztzeit beschreibt ihre Erlebnisse und die teils grotesken, sonderbaren und komischen Begegnungen in Neuseeland. In kurzen und längeren Gedankengängen, in die Elyria immer wieder versinkt, und aus ihren Erinnerungen entsteht ein immer klareres Bild über die Hintergründe ihrer Zerrissenheit. Ihre zerstörerischen Gedanken – ihre wilden Biester -  brechen hervor und zeigen Bilder einer enthemmten Entrücktheit. Das Ende des Buches finde ich perfekt auf die Geschichte zugeschnitten.

Ich bin voll und ganz von der bemerkenswerten, eigenen, unverfälschten und erspürenden Sprache der Autorin beeindruckt mit der sie den Gedanken bis in den letzten Winkel folgt. Sie gewährt einen wertneutralen Zugang zu den Figuren und macht deren Gefühle fühlbar.

Ich war auch immer wieder erstaunt, wie die Autorin in kleine Begebenheiten, wie zum Beispiel aus einem Blick auf Schuhe, einen Einblick in Elyrias intensive Gedankenwelt einbaut. 

Es ist kein illusorischer Weg der abrupten und sofort umzusetzenden Erkenntnisse, der dieses Buch auszeichnet sondern das laufen lassen der Tage und Monate, des Verschwindens aus den Maßstäben um damit den Boden zu bereiten für das Hervortreten des eigenen Selbst. Das finde ich, hat die Autorin hervorragend umgesetzt.