Rezension

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Die Geschichte berührt und geht unter die Haut

Ich bin ja heut so glücklich -

Ich bin ja heut so glücklich
von Charlotte Roth

Bewertet mit 5 Sternen

In ihrem Vorwort schreibt die Autorin Charlotte Roth, man möge diesen Roman nicht als Biographie Renate Müllers verstehen, sondern als Hommage, bzw. ein von liebevoller Hand gemaltes Portrait.

Der anfängliche Handlungsort ist Emmering bei München. Silvesterfeier 1918 bei der Familie Müller. Renates Vater ist Journalist. Das Haus ist voller Gäste. Renate, zwölf Jahre jung, wartet gespannt wie alle anderen auf das Bleigießen. Auch die Nachbarsleute Lohse mit ihrem fünfzehnjährigen Sohn Werner waren dabei. Und dieser bestand darauf, dass er für Renate das Blei gießen werde. Was hatte er letztlich zu ihr gesagt:
Zitat S. 17 Du bist meine Beste, kleines Renatchen. Und die bleibst du auch. Dass ich auf dich warten muss, weil du noch so klein bist, macht mir nichts aus." Jetzt beim Bleigießen, hätte sie ihn am liebsten sonst wo hin geschickt. Renates Vater hatte ihr einmal gesagt, dass das Wichtigste, das er ihr auf dem Weg in ihr Leben mitgeben wolle, sei der Glaube an sich selbst. Und genau das war ein großes Manko von Werner. Dies wird sich im Lauf der Handlung immer wieder zeigen. Werner, ein Protagonist mit ausgeprägter menschlicher Schwäche. Der mit sich unzufrieden ist, und nicht bei sich anfängt, Fehler zu suchen, beheben, sondern andere für ihn alles glatt bügeln lassen.
Ich habe bewusst Werner vorgezogen als Charaktere. Er spielt im gesamten kurzen Leben der Renate Müller eine wenn auch zeitweise nicht erkennbar, maßgebliche Rolle. Der nicht damit umgehen kann, dass er "nur" ein Freund in ihrem Leben ist. Er, Werner Lohse, einen besseren Mann als ihn könnte sie sich nicht wünschen, so sein ganzes Denken. Was sich auch auf sein späteres Handeln auswirkt.
"Ich bin ja heut so glcklich", ein gut gewählter Titel eines mir bekannten Liedes für das Buch. Doch welch Schicksal sich in der Geschichte um diesen Star der Dreißiger Jahre verbarg, war mir nicht bekannt. Der Tonfilm kam auf und so wurde Renate hier zu einer sehr gefragten Schauspielerin. Ihr Traum war Wirklichkeit geworden. Denn schon sehr früh wollte sie später einmal zum Film. Ihre Familie war ihr Rückhalt. Und wo sie hinging, die Familie unterstützte sie. Dabei taucht - leider - immer wieder Werner auf. Wie eine Schmeißfliege haftet er sich an sie.
Jeder weiß um die politische Zeit der Dreißiger Jahre, als die Braunhemden an die Macht kommen. Ausgerechnet in einen Juden verliebt sich Renate. Die damalige Politik wirkt auch in das Leben von Renate Müller.
Werner, der sich in Danzig dank finanzieller Hilfe von Renate einen Antiquitätenhandel aufgebaut hat, bleibt auch von der Weltwirtschaftskrise nicht verschont. Dann trifft er auf Joseph Goebbels. Dieser nimmt sich seiner an, formt ihn politisch. Werner arbeitet sih vom Chauffeur für Goebbels hoch und wird mehr und mehr ein Teil von dem Großen.
Der Roman erzählt sehr lebendig und teils spannend, dramatisch geschrieben über das Leben, dem Schicksal eines leider vergessenen Stars der Dreißiger Jahre. Sie, die so glücklich mit dem Mann an ihrer Seite war, Deutsch, ein Jude, und somit den braunen Machthabern ein Dorn im Auge.
"Ich bin ja heut so glücklich" ist mehr als nur ein Stück historische Zeitgeschichte des Dritten Reichs.
Eine Hommage für einen leider vergessenen Star der Dreißiger Jahre, der Zeit des lebendigen Berlins. Ein Roman, der unter die Haut geht.