Rezension

düster und depressiv

Das schwarze Buch der Gier - Beile Ratut

Das schwarze Buch der Gier
von Beile Ratut

Bewertet mit 2 Sternen

In "Das schwarze Buch der Gier" geht es um Alba, deren älterer Bruder Samuel spurlos verschwand, als sie sechs Jahre alt war. Er kam vom spielen nicht mehr zurück, ein Freund hat beobachtet, wie er in ein blaues Auto stieg. Die Suche ergibt keine Hinweise, Samuel bleibt verschwunden. Man kann vermuten, dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel. Albas Eltern reagieren auf ganz unterschiedliche Weise, der Vater zieht sich zurück, wird schweigsam, Albas Mutter verfällt in hektische Betriebsamkeit. Alba wird zu einem unsichtbaren Kind mit dem niemand redet. Am Tag des Verschwindens gab es einen großen Streit zwischen ihrer Mutter und ihrer Tante Merete, seit diesem Tag hat sie Merete nicht mehr gesehen. Was ist damals passiert?

Die Autorin beschreibt mit schönen Worten Albas Geschichte. Die Geschichte einer Frau, der die Ungewißheit über das Schicksal ihres Bruders keine Ruhe lässt, die nie gelernt hat, mit dem Verlust ihres Bruders fertig zu werden und damit abzuschließen. Alba ist unscheinbar, ängstlich und zurückhaltend, sie funktioniert, nimmt aber nicht aktiv am Leben teil. Sie findet keinen Mann, kann sich auf andere Menschen nicht einlassen, keine Beziehung eingehen, obwohl sie sich das sehnlichst wünscht.
 
Ich habe mit der kleinen Alba mitgelitten, die als Kind vergessen wird, um die sich keiner kümmert. Doch vielleicht war das Verhalten ihrer Eltern die einzige Möglichkeit, selbst mit dieser Tragödie fertig zu werden?

Es fiel mir sehr schwer, für die erwachsene Alba so etwas wie Verständnis aufzubringen. Für eine sehr intelligente Frau, die in der Vergangenheit behaftet ist und nicht gelernt hat, mit ihr abzuschließen, das Erlebte nie verarbeitet hat. Die sich auch keine professionelle Hilfe bei einem Therapeuten holt, obwohl sie zwischendurch immer wieder an ihrer geistigen Gesundheit zweifelt. Anstatt das Erlebte aufzuarbeiten nährt sie ihre Fantasie, indem sie in der Bibliothek Bücher liest, die Gräueltaten beschreiben, zu denen Menschen vor allem in Kriegszeiten fähig sind. Vergewaltigung, Folter, Mord, ich will es hier nicht näher beschreiben. Sie stellt sich all diese Dinge vor, die vielleicht jemand ihrem Bruder angetan haben könnte. Diese Gräulszenen fand ich für die Handlung nicht hilfreich, ich habe sie nur quergelesen, da sie sehr heftig sind. Alba unternimmt keinen Versuch, nach ihrer Tante zu suchen, um Aufschluss über den Streit zu bekommen. Es vergehen vierzig Jahre, in denen Albas Leben mehr oder weniger stagniert.

Insgesamt ist die Grundstimmung in der Geschichte sehr düster, trostlos und depimierend. Ich habe zu Alba leider keinen Bezug gefunden, blieb beim lesen immer distanziert. Das Ende war für mich nicht rund, zu konstruiert.