Rezension

Eier aus der Heimat

Kosakenberg -

Kosakenberg
von Sabine Rennefanz

Bewertet mit 5 Sternen

Kathleen ist aus ihrem brandenburgischen Heimatdorf weggezogen. Bis nach London hat sie es gebracht. Doch ihre Eltern verstehen noch nicht einmal ihren Beruf. Grafikdesignerin? Bilder auf dem Computer hin- und herschieben? Dafür hat sie studiert? Entsprechend unverstanden und fremd fühlt sich Kathleen auf ihren Heimatbesuchen. Erinnerungen an ihre Großeltern, an glückliche Kindertage, aber auch an die Wendezeit, als ihr Vater mit seinem neuen, gebrauchten Mercedes abhaut und noch mal ganz von vorn anfangen möchte, kann sie nur noch schwer mit der Gegenwart verbinden.

Ihre alte Schulfreundin Nadine ist daheim geblieben, hat es nicht "geschafft", doch hat es den Anschein, dass sie die bessere Entscheidung getroffen hat, mit einem eigenen Eierbusiness und der Eingebundenheit in der Dorfgemeinschaft. Kathleen findet mit ihr keine gemeinsame Grundlage mehr. Aber auch ihre Mutter scheint sich immer mehr von ihrer eigenen Tochter zu entfremden. Der Bruch scheint endgültig, als die Mutter beschließt, in die nächst größere Stadt zu ziehen und das alte sanierungsbedürftige Haus Nadine zu verkaufen. Der letzte Flucht- und Referenzpunkt fällt weg, die Wurzeln sind ausgerissen, Kathleens Leben in London muss und wird sich entwickeln.

Ein Leben auf dem Dorf, oder in der Kleinstadt kennen bestimmt viele von Rennefanz Lesern, das Vertsändnis für die Flucht der Jugend in die großen Zentren des Lebens ist folgerichtig. Ein typisch deutsches Sommermärchen, das an eigenes Erleben erinnert, eng an geschichtliche Ereignisse geknüpft ist und dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnt. So weit, so gut. Die Freude, dass es Kathleen geschafft hat, wird überschattet von ihren Zweifeln, die sie bei ihren Heimatbesuchen überfallen. Doch ergreift sie keine Initiative, steht nur als Beobachterin da und fällt ihre eigenen Lebensentscheidungen erst, als sie merkt, dass es kein Zurück mehr gibt.

Das Herzblut der Autorin, die selbst 1974 in einer brandenburgischen Kleinstadt geboren wurde, scheint reichlich in dieses Buch geflossen zu sein. Das fiktive Kosakenberg strotzt vor Echtheit und eigener Erfahrung. Witzige und wunderbare Sprachbilder geben dem Text ein Leichtigkeit, die die Autorin durch winzige Ausfälle ins Absurde auf eine Ebene hebt, auf der man sich bestens unterhalten, wunderbar erinnert und seufzend erleichtert fühlt, auch wenn Tod und Verlust dazwischenfunken. Die Eier des Lebens, ob teuer verkauft, oder über Ländergrenzen verschickt, bergen immer wieder neues Leben. Das Titelbild ist Programm, es hätte auch ein Fleck sein können (Erklärung im Buch ).

Ein moderner Heimatroman, eine Erinnerungsreise und eine Außenansicht der Weggezogenen; vielmehr geht gar nicht.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. März 2024 um 19:02

Wunderschönes Leseerlebnis: Brandenburg ist wirklich toll.