Rezension

Ein außergewöhnlicher Roman

Die wunderbare Kälte -

Die wunderbare Kälte
von Elisabeth Rettelbach

Inhalt: Kai stalkt Menschen. Sie verfolgt sie, beobachtet sie, steckt ihnen Zettelchen zu, chattet mit ihnen, gibt sich als jemand anderes aus und verkuppelt sie – allein zur eigenen Befriedigung. Immer ist sie dabei, wenn ein von ihr verkuppeltes Pärchen sich im echten Leben das erste Mal trifft, jedes Mal ist sie verkleidet. Als sie spontan zwei Menschen trifft, die mal ein Paar waren, fokussiert Kai sich auf die beiden, sodass sich die Obsession verstärkt.

Persönliche Meinung: „Die wunderbare Kälte“ lässt sich schwer einem spezifischen Genre zuordnen. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive Kais, was dazu führt, dass die Leser*innen (genau so wie Kais „Opfer“) allein ihrem Gutdünken ausgeliefert sind. Denn: Kai ist keine einfache Protagonistin. In „Die wunderbare Kälte“ wird die Grenze ausgetestet, inwiefern man zwangsläufig mit den Protagonist*innen sympathisieren muss. Kai ist kompliziert, ihre Gedanken sprunghaft, ihre Handlungen moralisch fragwürdig, ihre Wahrnehmung oftmals gestört. Mehrmals hat man beim Lesen den Eindruck, Kai leide unter einer (nicht näher benannten) psychischen Störung. Nur in einzelnen, wachen Momenten sieht man die Person, die in Kai steckt. Kai ist der Filter der Handlung: Allein das, was sie wahrnimmt (oder besser: wahrnehmen will), erfahren auch die Leser*innen. Aufgrund ihrer Persönlichkeit ist Kai allerdings hochgradig unzuverlässig, sodass sie auch als „unzuverlässiger Erzähler“ auftritt. Anders formuliert: Letztlich weiß man beim Lesen gar nicht sicher, ob die Handlung tatsächlich so geschehen ist, wie Kai sie erzählt. Passend zu diesem Umstand wird häufig die Erzählform des inneren Monologs genutzt, der teilweise in einen ungeordneten Bewusstseinsstrom abdriftet. So wird insgesamt das Sprunghafte und Verwirrte Kais treffend wiedergegeben. Der Handlung ist dementsprechend nicht immer einfach zu folgen; öfter musste ich innehalten, weil Kais Taten und Gedanken vergleichsweise fremd sind und einen teilweise auch sprachlos zurücklassen.  „Die wunderbare Kälte“ ist keine einfache Lektüre; nichts, was man mal eben zwischendurch „runterliest“, sondern literarisch vergleichsweise anspruchsvoll. Aber dies zeichnet die Besonderheit und Andersheit von „Die wunderbare Kälte“ aus, wodurch der Roman sich vom Mainstream abhebt.