Rezension

Ein Buch als Aufbaumedium

AchtNacht - Sebastian Fitzek

AchtNacht
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 4.5 Sternen

Mit „Die Blutschule“ hat Sebastian Fitzek aka Max Rhode sein Horrordebüt gegeben. Das dürfte so gut angekommen sein, dass er es mit „AchtNacht“ unter seinem echten Namen auch probiert; denn eines wird nach den ersten Seiten des Buches klar – ein Thriller ist Fitzeks aktueller Roman nicht; zu groß sind die Schnittmengen zu einem Horror-Roman.

Ich bin nicht der allergrößte Fitzek-Fan, auch wenn ich einige Bücher von ihm gelesen habe. Oft waren es durchschnittliche Geschichten, die mich zwar zu Beginn ans Buch fesselten, das Niveau allerdings zumeist nicht halten konnten. Manchmal baute Fitzek auch einen so großen Plot-Twist ein, dass aus einer Geschichte zwei wurden, wie etwa bei „Noah“, was mich dann doch etwas Abstand von seinen Büchern nehmen ließ, weil ich lieber die Geschichte lesen will, die der Klappentext verspricht. Einen Plot-Twist gibt es auch bei „AchtNacht“, aber der ist nicht so krass wie bei „Noah“ - aber ich will eigentlich gar nicht über Fitzek oder seine Verlage lästern, denn „AchtNacht“ hat mir richtig gut gefallen.

Wir begleiten in dieser Geschichte Ben. Ben ist Ende dreißig, Musiker und der personifizierte Loser. Denn er fliegt nicht nur aus einer Band nach der anderen, er trägt auch noch die Verantwortung dafür, dass seine 19-jährige Tochter vor vier Jahren ihre Beine verlor und möglicherweise auch dafür, dass sie vor einer Woche vom Dach ihres Studentenheimes sprang und jetzt im Koma liegt. Doch damit nicht genug, denn heute Nacht wird er auch noch potentiell von der ganzen Welt gejagt, denn auf seinen Kopf sind zehn Millionen Euro ausgesetzt. Wir steigen kurz vor Beginn der "AchtNacht" ein, die zu Bens Pech Mitten im Sommer und dann auch noch am Wochenende stattfindet, was natürlich noch mehr mordlustige Menschen anlockt - als ob zehn Millionen nicht schon Grund genug wären. Jedenfalls gibt uns Fitzek noch ein bisschen Zeit, bevor sich die Ereignisse schließlich überschlagen; danach gibt uns das Buch nur mehr wenig Zeit zum durchatmen.

Ich habe mich während des Lesens gefragt, ob es hinter der Geschichte einen tieferen Sinn gibt, konnte aber bis zum Ende keinen finden, der mich so richtig überzeugte. Vielmehr deckt Fitzek viele Themen ab bzw. reißt sie an. Angefangen von Fake News über Datenklau im Internet, Zwangsprostitution, Mobbing, Erpressung und noch viele mehr – also im Grunde genommen nur schlechte Dinge; die Message des Buches wird erst im Nachwort klar. Ich habe in den sozialen Netzwerken einige Meinungen über „AchtNacht“ gelesen, die alles andere als positiv waren. Möglicherweise waren diese Menschen in der falschen Stimmung, als sie das Buch gelesen haben, denn laut Fitzek – so interpretiere ich es jetzt mal – sollte man das Buch vielleicht nicht zu einer Zeit lesen, in der einem die Sonne aus dem Arsch scheint. Es ist eher etwas für die düsteren Zeiten unseres Lebens. Fitzek will uns in diesen Zeiten mit „AchtNacht“ sagen „Dir geht es vielleicht schlecht, aber ich zeige dir, dass es wesentlich schlimmer sein könnte“ oder „Du bist nicht der einzige, dem es schlecht geht“ - geteiltes Leid ist halbes Leid. Die Themen, die im Buch angerissen werden, sind teilweise abstoßend, teilweise beklemmend, bei manchen fragt man sich „Was, sowas gibt‘s wirklich?“ und bei manchen fühlt man sich nur mehr schlecht (oder einem wird schlecht) – oder sie bewirken das genaue Gegenteil und das Buch agiert als Aufbaumedium.

Was man ankreiden kann, sind die Hauptcharaktere, die weder sympathisch noch unsympathisch sind, da hätte Fitzek für meinen Geschmack konturenreicher sein können. Und das Nachwort hätte man vielleicht der Geschichte voranstellen können, damit sich der ein oder andere Leser während des Lesens nicht grundlos über die Oberflächlichkeit ärgert.

Fazit: „AchtNacht“ ist ein spannungsgeladener Roman mit einem perfiden Gedankenexperiment und einer verdammt guten Backstory. Lesespaß für besondere Zeiten.
Mehr Rezensionen gibt's auf Krimisofa.com.