Rezension

Ein durchgehend spannender und raffiniert komponierter Psychothriller

Kalte Erinnerung - Patricia Walter

Kalte Erinnerung
von Patricia Walter

Bewertet mit 5 Sternen

Ich war sehr gespannt auf Patricia Walters Thrillerdebüt Kalte Erinnerung, denn der Klappentext klang sehr spannend. Zugegebenermaßen scheint die Grundidee des Buches auf den ersten Blick nicht besonders originell zu sein, ist aber durchaus solide und hat Potenzial für einen packenden Thriller, sodass ich sehr gespannt war, ob es der Autorin gelingt, diese Idee innovativ und fesselnd umzusetzen. Soviel sei vorneweg gesagt – es ist ihr ausgesprochen gut gelungen. Ich habe diesen Thriller innerhalb weniger Stunden in einem Rutsch durchgelesen, regelrecht verschlungen und erst wieder aus der Hand gelegt, als ich wusste, wie diese packende und beklemmende Geschichte endet. Die Autorin versteht es, von der ersten Seite an eine enorme Spannung aufzubauen, diese durchgängig auf einem hohen Level zu halten und am Ende sogar noch zu steigern. Durch die kurzen Kapitel und den flüssigen Schreibstil, der sich angenehm und zügig lesen lässt, fliegt man förmlich durch die Seiten, und da jedes Kapitel mit einem Cliffhanger endet, konnte ich gar nicht aufhören zu lesen.
Patricia Walter hat die Protagonisten ihres Psychothrillers sehr gut ausgearbeitet und präzise gezeichnet. Das ganze Buch ist aus der Perspektive der Hauptprotagonistin Zoe erzählt, sodass man ihr natürlich besonders nahekommt und ihre Ängste hautnah miterlebt. Diese sind so authentisch und nachvollziehbar geschildert, dass ich mich sehr gut in diese Frau hineinversetzen konnte und natürlich auch mit ihr mitfieberte. Die bedrohliche Situation, in der sie sich befindet, war auf jeder Seite spürbar und sorgte für beklemmende Momente und eine nicht nachlassende Spannung.
Alle anderen Figuren lernt man nur aus Zoes Perspektive kennen und bleiben bis zum Schluss äußerst rätselhaft und mysteriös. Man weiß, dass der unbekannte Anrufer, der Zoe mit verzerrter Stimme bedroht, jemand sein muss, der sie offenbar gut kennt und aus ihrem beruflichen oder privaten Umfeld stammen muss. Der Verdacht wird sehr geschickt immer wieder auf eine andere Person gelenkt, sodass ich bis zum Schluss keine Ahnung hatte, wer dahinterstecken könnte. Da ein klassischer Bösewicht oder ein Protagonist, der gänzlich unsympathisch wäre, vollkommen fehlt, war ich, ebenso wie Zoe, immer wieder hin- und hergerissen und fragte mich, ob sie manchen Personen nicht vielleicht doch vertrauen könnte, denn viele Verdächtige hatten auch sehr liebenswürdige Charakterzüge, sodass ich geneigt war, jeden Verdacht wieder zu verwerfen. Nur eine Figur war mir nahezu durchgängig suspekt, aber ich konnte beim besten Willen kein Motiv erkennen. Anhand dieses Charakters wird auch sehr gut deutlich, dass man sich häufig zu vorschnell eine Meinung von einem Menschen bildet, ohne die Hintergründe seines Verhaltens zu kennen.
Die Autorin hat es äußerst geschickt verstanden, mich stets aufs Neue in die Irre zu führen und auf falsche Fährten zu locken. Allerdings hatte ich gegen Ende des Buches die Befürchtung, dass der ganze Plot nun so verzwickt ist, dass er sich gar nicht mehr logisch und nachvollziehbar auflösen lässt, ohne dass ein an den Haaren herbeigezogener Zufall oder eine bisher gar nicht in Erscheinung getretene Figur aus dem Ärmel gezaubert wird. Sowas macht mich immer ziemlich wütend, denn dann fühle ich mich von einem Autor hinters Licht geführt, und auch Logikbrüche verzeihe ich im Krimi- und Thrillergenre nicht. Aber all meine Befürchtungen haben sich glücklicherweise als unbegründet herausgestellt. Als ich dann wusste, wer der Täter ist, war ich sehr überrascht, denn mit dieser Auflösung hätte ich niemals gerechnet. Trotzdem hatte ich noch viele offene Fragen, da vieles für mich noch immer keinen Sinn ergab. Aber auch hier hat mich die Autorin nicht enttäuscht, denn am Schluss wurden all meine Fragen logisch und schlüssig beantwortet. Ich habe im Thrillergenre wirklich selten eine so gut durchdachte und bis ins kleinste Detail ausgefeilte Geschichte gelesen, die gleichzeitig auch durchgehend spannend war und keine Längen aufwies. Patricia Walter verzichtet vollkommen auf blutige und brutale Szenen, sondern setzt vielmehr auf psychologische Spannung, sodass auch zartbesaitete Gemüter ihre Freude an diesem Buch haben werden.
Ich kann Kalte Erinnerung von Patricia Walter jedem ans Herz legen, der gut durchdachte und raffiniert komponierte Psychothriller mag und spannend und intelligent unterhalten werden möchte und würde mich nach diesem großartigen Debüt freuen, bald noch mehr von dieser Autorin lesen zu dürfen.