Rezension

Ein Psychothriller der leisen Töne

Seelen unter dem Eis - Astrid Korten

Seelen unter dem Eis
von Astrid Korten

Bewertet mit 5 Sternen

Tom Döbbe betreibt eine erfolgreiche Werbeagentur, fährt einen Porsche, besitzt ein Ferienhaus im Hubbard Country Park und ein fettes Bankkonto. Er pflegt ein Netzwerk von Geschäftsbeziehungen und seinem Freundeskreis. Seine Frau Helen möchte unbedingt ein Kind, doch das klappt nicht. Er bekommt einen Lehrauftrag an der Fakultät für Kommunikation an der Fachhochschule und lernt dort die unscheinbare Studentin Amal kennen. Diese Affäre bringt ihn schlussendlich vor Gericht. Nun lebt nun im Death row, dem Todestrakt im „Paradies“, dem Gefängnis von Huntsville, Texas und wartet auf seine Hinrichtung.

Tom, den hier alle „Mozart“ nennen, weil er immer eine Melodie des Musikers auf den Lippen hat, bekommt von John Collins, dem Anstaltswärter „Goodman“ eine Schreibmaschine und Papier um seine Lebensgeschichte niederzuschreiben. Ich erlebe einen nachdenklichen, die Vergangenheit reflektierenden, eher ruhigen Mann. Begleite ihn in kurzen Auszügen durch seine Kindheit und Jugend, wo er früh seine Mutter verliert und mache Bekanntschaft mit Zitaten seines Vaters, die ihn begleiten. Ich erlebe mit, wie sich die Umstände ergeben, die zu seiner Verhaftung führen und bin überrascht von der Wendung, die sein Leben nimmt. Vor allem aber auch entsetzt bzw. eher fasziniert, wie er seinem bestimmten Ende entgeht.

Beim Lesen merkt man, dass Autorin Astrid Korten vor Ort Hintergrundinformationen gesammelt hat. Sie zieht mich hinein in den Gefängnisalltag mit Tristesse, Gewalt, Demütigungen und Brutalität. Ich lerne einige Insassen kennen, die hier alle ihre Spitznamen haben: der junge Smiley, der durch eine verirrte Kugel ums Leben kommt; Plum, der außerhalb der Mauern Jimmy Baker heißt, Steel und Spider, die Tom das Leben hier nicht leicht machen. Automatisch beschäftige ich mich mit der Todesstrafe, die Astrid Korten auch in ihrem Nachwort eindringlich thematisiert.

Ich mag es sehr, wenn eine Geschichte, wie hier mit sehr wenigen Protagonisten auskommt. Wenn sich die Geschichte langsam entwickelt und mich zum Schluss erstaunt zurück lässt. Wenn ich keinem blutigen Gemetzel folgen muss. Die mich aber doch berührt und bis zum Schluss nicht mehr los lässt. Dieses Buch trifft genau meinem Geschmack.

„Seelen unter dem Eis“ ist ein Psychothriller der leisen Töne, der mich sehr gut unterhalten, aber auch nachdenklich gemacht hat.