Rezension

Ein Thriller der einem Kräftemessen gleichkommt und bei dem sich die Grenzen nur allzu leicht verschieben

Der Insasse - Sebastian Fitzek

Der Insasse
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 4 Sternen

Bis dato fast alle Thriller des Autors gelesen, so stellte mich sein neuester Clou doch vor eine richtige Herausforderung.
Alleine das Cover wirkt perfekt mit seiner Polsterung und den scheinbar blutgetränkten Buchschnitt.
Der Einstieg gelang mir nicht nur sehr gut, er hat mich richtiggehend entsetzt und erstmal Luft holen lassen.
Seine Charaktere, wie soll ich sagen , sind einfach genial entworfen und verfügen über eine ungeheure Präsenz. Es ist nicht das , was sie durchleben. Sondern das, was sie ausmacht. Was sie greifbarer , lebendiger und facettenreicher erscheinen lässt.
Dabei erfahren wir hier auch die Perspektiven von verschiedenen Persönlichkeiten. Allen voran folgt man vor allem Till Berkhoff und Guido Tramnitz.
Zwei so unterschiedliche Charaktere , die mich nicht nur in Atem gehalten haben , sondern teilweise auch wirklich erstaunt haben.
Sebastian Fitzek legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die Psyche der Menschen und nimmt sie dabei in jeder erdenklichen Form auseinander.
Die Nebencharaktere die man im Laufe der Handlung kennenlernt, schaffen es ebenso zu punkten. Ganz besonders Simon mochte ich sehr , sehr gern.
Daneben zeigt er auf, womit man in solch einer Situation nicht rechnen kann, was aber dennoch passiert.
Jetzt zu dem Punkt der mich in der Tat doch ziemlich gestört hat. Die Wesenszüge einiger Charaktere waren mir zu klischeehaft. Dadurch wirken sie seltsam flach, ein Stück weit unglaubwürdig und schwach. Was ich hier sehr schade fand, da man da einfach hätte mehr herausholen können.

Wie man es gewohnt ist schreibt er sehr leicht, einnehmend und fließend. Er fordert den Leser , ohne das man es zu spüren bekommt.
Alleine der Plot hat in mir schon einiges an Beklemmung ausgelöst. Er schaffte es , das mich all die Emotionen sofort bis ins Mark getroffen haben.
Till hatte mein ganzes Mitgefühl, ich habe ungemein mit ihm gefühlt und gelitten. Sein Hintergrund hat mich in einen emotionalen Abgrund gerissen. Ich konnte seine Beweggründe verstehen und auch nachvollziehen.
Er ist scheinbar verloren in einer Welt , die ihm alles zu nehmen droht.
Herz, Verstand und seinen Glauben.
Wieviel muss erst passieren, bis er über die Klippe stürzt?

Tramnitz dagegen hat mich auf der einen Seite sehr wütend gemacht , ein Stück weit brachte ich sogar so etwas wie Anteilnahme auf. Aber seine Persönlichkeit die fand ich absolut interessant und faszinierend. Man erfährt immer mehr über seine Wesenszüge und gerade seine geschickten Schachzüge, fand ich sehr brilliant.
Die Handlung selbst hat mich vor einige Herausforderungen gestellt. Nicht nur das man Tills Schmerz erlebt. Man versteht und verinnerlicht diese Qual und das ganze Ausmaß dessen einfach zu gut.
Voller Anteilnahme versteht man was er durchmacht.
Es gab einige Szenen die haben mir Stoff zum nachdenken gegeben. Aber so sehr ich auch überlegte ich fand den Fehler nicht.
Der Autor hält die Spannung hier konstant oben und schafft es währenddessen immer wieder einige Überraschungen miteinfließen zu lassen
Dabei lässt er auch die Zwischenmenschlichkeit nicht außer Acht und zeigt auf , was der Mensch in seiner größten Verzweiflung und Trauer durchmacht.
Wie weit er bereit ist zu gehen.
Er zeigt wie es ist , sich selbst fast zu verlieren.
Doch am schlimmsten waren für mich tatsächlich die fiesen Cliffhanger am Ende der Kapitel. Dadurch konnte man automatisch nicht mehr aufhören mit lesen und inhalierte es einfach nur.
Die einzelnen Schicksale haben mich sehr bewegt und mitfühlen lassen.
Aber es war nichts im Gegensatz zu dem Plottwist, den er hier scheinbar mühelos aus dem Ärmel geschüttelt hat.
Es war heftig, krass und ich fühlte mich , als würde sich die Erde auftun.
Unverständnis und Unglauben.
Schock und Entsetzen.
Bis nur noch Traurigkeit übrig bleibt.

Ich musste tatsächlich erstmal über die Glaubwürdigkeit resümieren. Denn es hat mich sprichwörtlich zerrissen und in eine emotionale Achterbahn katapultiert.
Letztendlich kann ich sagen, hat er hier einen sehr vielschichtigen Thriller entworfen. Der atmosphärisch, als auch emotional gesehen tief unter die Haut geht.
Ein Thriller der einem Kräftemessen gleichkommt und bei dem sich die Grenzen nur allzu leicht verschieben.

Ein Thriller, der die Frage nach dem Warum und der Belastbarkeit der menschlichen Seele in den Raum stellt.
Eine Thematik, die mich sehr beängstigt hat und für Gänsehaut sorgte